Europäische Lage

Kolumne von Georg Fülberth

Georg Fülberth

Georg Fülberth

Am 25. Januar 2015 wurde in Griechenland eine Regierung gewählt, die das Verarmungsprogramm der Troika beenden wollte. Inzwischen ist sie gezwungen worden, dieses selbst zu exekutieren. Bei den portugiesischen Wahlen am 4. Oktober 2015 verlor die bisherige Regierung, die als die Musterschülerin Schäubles galt, ihre Mehrheit. Die sozialistische Partei stellt den Ministerpräsidenten. Er wird vom „Bloco Esquerda“ (Linksblock) und einem von der Kommunistischen Partei geführten Bündnis toleriert, will soziale Härten mildern, aber die Sparauflagen der EU einhalten.

In Spanien spaltete sich bei den Wahlen am 20. Dezember links von den Sozialisten „Podemos“ ab, und vielleicht sind ja auch die „Ciudadanos“ nicht so rechts wie die bisher regierende konservative Volkspartei. Insofern könnte dieses Ergebnis ebenfalls als Votum gegen den europäischen Fiskalpakt verstanden werden.

Nachdem François Hollande 2012 zum französischen Staatspräsidenten gewählt worden war, wollte er den Spitzensatz der Einkommensteuer auf 75 Prozent erhöhen, scheiterte aber damit am Verfassungsrat. Inzwischen ließ er sich von Peter Hartz für eine französische Variante von Gerhard Schröders Agenda 2010 beraten. Diesen Kurs verfolgt auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi. Zugleich wendet er sich mit Worten gegen den seinem Land von Deutschland aufgezwungenen Sparkurs.

Diese Kritik greift zu kurz. In Wirklichkeit geht es nicht in erster Linie um Austerität (Sparen), sondern um eine Verteilung von unten nach oben. Die zutreffende Forderung müsste also lauten: Umverteilung von oben nach unten. Hierzu fehlt offenbar die Kraft.

Das Machtzentrum Europas liegt nicht in Griechenland, Portugal, Spanien, Frankreich und Italien, sondern in Deutschland. Im Sommer 2015 konnten Griechenland und Italien ihren Verpflichtungen, dem Norden Flüchtlinge fernzuhalten, nicht mehr nachkommen. Dies war ihnen in drei Dubliner Abkommen auferlegt worden. Wer will, kann den zeitweiligen Zusammenbruch des Grenzregimes auch als eine Art stillen Protest im innereuropäischen Nord-Süd-Konflikt verstehen. Inzwischen ist Griechenland auch in diesem Punkt erpressbar.

Die Chancen von Flüchtlingen, sich vor den Folgen von Katastrophen, die das europäische und US-amerikanische Kapital zumindest mitverursacht, zu retten, sind nicht groß, selbst wenn sie bewaffnet kämen. Der kapitalistische Norden ist auch militärisch stärker.

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"Europäische Lage", UZ vom 8. Januar 2016



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