US-Atomraketen: „Schritt in Richtung Weltkrieg“

Europa als Startrampe

Von Willi Gerns

Anfang des Monats veröffentlichte die Agentur Associated Press Auszüge aus einem Bericht des Vorsitzenden des Komitees der Vereinigten Chefs der Generalstäbe der US-Streitkräfte, General Martin Dempsey. Daraus geht hervor, dass die USA eine Statioierung bodengestützter Raketen in Europa oder Asien erwägen, mit denen ein „Präventivschlag“ gegen das russische Atomwaffenpotential geführt werden kann. Begründet wird dies damit, dass Russland angeblich den INF-Vertrag nicht vollständig erfülle. Stichhaltige Belege dafür werden nicht vorgelegt.

Der INF-Vertrag wurde 1987 unterzeichnet und ist 1988 in Kraft getreten. Darin haben sich die USA und die Sowjetunion verpflichtet, ihre Raketen mittlerer und geringer Reichweite vollständig zu vernichten. Die Vereinbarungen wurden bis 1991 umgesetzt, gegenseitige Inspektionen wurden bis 2001 durchgeführt.

„Washingtons Pläne sollen einen Atomkrieg gegen Russland möglich machen.“

In jüngster Zeit werfen sich Russland und die USA immer öfter vor, Waffen zu entwickeln, die unter den INF-Vertrag fallen und damit das Abkommen zu verletzen. Um diesen Vorwürfen nachzugehen, hatte Außenminister Lawrow den USA wiederholt vorgeschlagen, „konkrete Konsultationen“ durchzuführen, damit die USA ihre Behauptungen mit Fakten belegen können und keine „fadenscheinigen Anschuldigungen“ erheben. Washington hat diesen Vorschlag allerdings nicht aufgegriffen.

Zugleich wird der Aufbau eines US-Raketenabwehr-Systems in Europa und Asien vorangetrieben, wozu u. a. die Aufstellung entsprechender Raketen in Polen und Rumänien gehört. Kürzlich hat auch das Kiewer Regime seine Bereitschaft erklärt, ukrainisches Territorium für diese US-Pläne zur Verfügung zu stellen.

Klar ist, dass Russland darauf reagieren muss. Schließlich verfolgen Washingtons Pläne das Ziel, durch eine Neutralisierung des russischen Gegenschlagpotentials einen Atomkrieg gegen Russland möglich zu machen oder Moskau mit der Androhung eines solchen Krieges zu erpressen.

Wo Washington mit dem Feuer eines Atomkrieges spielt, will auch London nicht abseits stehen. So berichtete die Zeitung Daily Mail, dass der britische Außenminister Philip Hammond erklärt habe, Großbritannien könne auf dem Hintergrund der Verschlechterung der Beziehungen mit Russland erneut auf seinem Territorium amerikanische Raketen mit atomaren Sprengköpfen stationieren. Wörtlich sagte Hammond: „Wir würden diese Frage erörtern. Wenn sie auf der Tagesordnung stünde, würden wir gemeinsam mit den USA eine Entscheidung treffen. Wir halten es für notwendig, Russland ein deutliches Signal zu senden. dass wir ihm nicht erlauben werden eine ‚rote Linie‘ zu überschreiten.“

Der britische Außenminister zeigte sich – wie die Daily Mail weiter berichtet – „besorgt“ über wachsende Aktivitäten der russischen Streitkräfte und Pläne Russlands, Flügelraketen in Kaliningrad zu stationieren, wohl bemerkt, auf russischem Territorium. US-Raketen in Polen, d. h. tausende Kilometer von den USA und nur wenige Kilometer von der russischen Grenze bei Kaliningrad entfernt, machen ihm dagegen keine Sorgen.

Die Pläne der USA müssen dagegen für die Menschen in Europa die Alarmglocken schrillen lassen. Unser durch zwei Weltkriege leidgeprüfter Kontinent könnte erneut zum Hauptschauplatz eines Weltbrandes werden, der ihn diesmal allerdings in eine unbewohnbare atomar verstrahlte Wüste verwandeln könnte.

Die reale Gefahr eines solchen Krieges würde jedenfalls bedeutend zunehmen. Das betont auch der Militärexperte Igor Korotschenko, Chefredakteur der russischen Zeitung „Nationale Verteidigung“ und Mitglied des gesellschaftlichen Rates beim Verteidigungsministerium der Russischen Föderation, der im lettischen Rundfunksender „Baltkom“ feststellte, dass eine mögliche Stationierung von bodengestützten, gegen Russland gerichteten US-Raketen in Europa einen Schritt zum Dritten Weltkrieg bedeuten würde.

Er verstehe die Handlungslogik der Amerikaner nicht, da „Russland keine Raketen auf Kuba aufstellt. Und die Amerikaner stellen ihre Raketen in Europa auf, um einen Schlag gegen Russland zu führen. Wozu? Es gibt ja heute keine Bedrohung“, so der Experte. Weiter betonte Korotschenko, dass er erst recht die Logik Europas nicht verstehe, das sich nicht gegen die US-Pläne auflehne.

Es sei hinzugefügt, dass diese „Logik“ der führenden Politiker Teileuropas wohl nur daraus zu erklären ist, dass sie in ihrer Vasallentreue gegenüber Washington, wie auch im eigenen imperialistischen Interesse, offenbar bereit sind, die Lebensinteressen ihrer Völker dem Weltherrschaftsstreben des US-Imperialismus unterzuordnen.

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"Europa als Startrampe", UZ vom 19. Juni 2015



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