Einst erblühte irgendwo in Vorderasien ein wunderschönes Königstöchterlein, zu welchem Zeus in Liebe entbrannte. In der Gestalt eines Stiers entführte er die Jungfrau auf einen anderen Kontinent und kühlte seine Brunst an ihr. Dem Erdteil gab der Götterchef den Namen der Schönen, Europa, um sie dann sitzen zu lassen.
Das ist Stücker drei Jahrtausende her, die Königstochter fiel später der Kirche anheim, seit dem frühen Greisenalter wird sie vom Kapital geschändet. Doch ihre Anziehungskraft auf Rindviecher hat sie nicht verloren. Einen Teil von ihr, die EU, für das Ganze nehmend, dichten ihr die Verehrer allerlei Vorzüge an: Mutter der Weisheit, des Humanismus, der Vernunft. Und sie bangen gar um Leib und Leben der alten Vettel: „Wenn die Mitgliedstaaten keinen gemeinsamen Weg finden, die Ströme von Einwanderern und Asylbewerbern einzudämmen und zu regulieren, droht dem gesamten Projekt der EU der Todestoß versetzt zu werden“, schreibt der Ochse Antonio Tajani, von Beruf EU-Parlamentspräsident. 6 Milliarden Euro soll aus seiner Sicht die Aufrüstung am Mittelmeer gegen die potentiellen Meuchler kosten. Europa, wie beschrieben selbst Migrantin, wird nicht gefragt, ob sie so geschützt werden will.