Islamisten nehmen Zivilbevölkerung als Geiseln

Euro für den Dschihad

Von Manfred Ziegler

In einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates – einberufen von Deutschland, Belgien und Kuweit – und während einer Sitzung zur Situation in Syrien beklagten die Vertreter der NATO-Staaten wieder das Schicksal der Zivilbevölkerung im Norden Syriens, in Idlib. Die Kontrolle der Dschihadisten von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) über Idlib wurde kaum thematisiert. Erneut richteten sich die Anklagen vor allem gegen die Offensive der syrischen Armee in der sogenannten Pufferzone um Idlib.

Die Ghab-Ebene im Nordwesten Syriens liegt in dieser Pufferzone. Seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden mehr als 40 000 Hektar mit Drainage-Kanälen in eines der fruchtbarsten Gebiete Syriens umgewandelt. Unterstützt von Russland begann hier am 5. Mai die Offensive der syrischen Armee gegen die Dschihadisten der HTS mit heftigen Gefechten.

Der Angriff richtete sich von der Stadt Al-Suqaylabiyah aus – dort leben vor allem griechisch-orthodoxe Syrer – nach Norden. Zu den Zielen der aktuellen Offensive gehören wichtige Verbindungsstraßen, die nach der Übereinkunft von Sotschi schon längst zugänglich sein sollten, zum Beispiel eine Hauptverbindungsstraße nach Aleppo.

Es ist keine Überraschung, dass das Gerede über „gezielte Angriffe auf Zivilisten“ mit der Offensive wieder zunahm. Besonders in den Blickpunkt geriet dabei die „deutsche Klinik“ – eine Einrichtung, die mit Mitteln des Auswärtigen Amtes finanziert wird. Während gerade das Gesundheitswesen in Syrien unter den – auch von der deutschen Regierung – verhängten Sanktionen leidet, wird das Gebiet unter Kontrolle der Dschihadisten offenbar kräftig finanziert. Dutzende Krankenhäuser und Hunderte Ärzte erhalten Geld vom Auswärtigen Amt. Laut Angaben des Auswärtigen Amtes vom Mai wurden für 2019 bereits 30 Millionen Euro bereitgestellt.

Dabei gibt es massiven Druck der Dschihadisten auf ausländische Hilfseinrichtungen, wie AFP berichtet. Hilfe wird behindert oder in eigene Kanäle umgeleitet. Medizinisches und anderes Hilfspersonal wird bedroht, verhaftet oder anders unter Druck gesetzt. Aus solchen Gründen mussten fünf wichtige Krankenhäuser schließen. Sie wurden offenbar von den Dschihadisten als Kommandostellen übernommen.

Das Übereinkommen von 2018 zwischen dem Iran, der Türkei und Russland sah einen Waffenstillstand in Idlib und umgebenden Gebieten vor. Schwere Waffen sollten aus einer entmilitarisierten Zone in Idlib und im Norden von Hama abgezogen werden. Die Türkei war dafür verantwortlich, dass die mit ihr verbündeten Dschihadisten aus der entmilitarisierten Zone abziehen – sie hat dieses Abkommen nie umgesetzt.

Statt aus der Pufferzone abzuziehen übernahmen die Dschihadisten von HTS mit stillschweigender Duldung der türkischen Armee im Januar die Kontrolle über fast das gesamte Gebiert von Idlib. Sie gruppierten sich neu und griffen immer wieder sichere Gebiete unter Kontrolle der syrischen Armee an. Darüber hinaus griffen sie auch die russische Basis Khmeimim an. Sowohl die russische als auch die syrische Regierung betonten, dass die Dschihadisten sich aus der Pufferzone zurückziehen müssen. Die gegenwärtige Offensive soll das erreichen.

Verhandlungen zwischen Russland und der Türkei in Ankara über die türkischen Beobachtungsposten und die mit der Türkei verbündeten Dschihadisten blieben vorerst folgenlos. In New York betonte der Koordinator der UN für humanitäre Hilfe, Mark Lowcock, die Zahl der „unschuldigen Zivilisten“ übertreffe die der Bewaffneten weit. Ganz recht – die Zivilisten sind die Geiseln der Dschihadisten.

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"Euro für den Dschihad", UZ vom 24. Mai 2019



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