Wer wählte BSW, wer AfD – und mit welchen Motiven?

EU-Wahl und Friedensfrage

Kolumne

26 Prozent derer, die bei der EU-Wahl abstimmten, nannten „Friedenssicherung“ als für ihre Entscheidung wichtigstes Thema. An zweiter Stelle wurde „soziale Sicherheit“ genannt (23 Prozent), gefolgt von „Zuwanderung“ (17 Prozent), „Klima- und Umweltschutz“ (14 Prozent) und „Wirtschaftswachstum“ (13 Prozent). 2019 stand mit 23 Prozent „Klima- und Umweltschutz“ an erster Stelle. Der Ukraine-Krieg veränderte die Rangfolge. Im Wahlkampf selbst war „Friedenssicherung“ nur ein Randthema. Politiker der NATO-Parteien von Union, SPD, FDP und Grünen profilierten sich vielmehr als Antreiber beim Besteigen der jeweils nächsten Stufe der Eskalationsleiter.

Wer für Verhandlungen ist, gilt seit dem 24. Februar 2022 ohnehin als „Putinfreund“, das heißt, als Fremdkörper. Sogar ein Fan der EU-Ostexpansion wie Olaf Scholz gerät immer wieder in Verdacht, da er zögert, Taurus-Raketen an die Ukraine zu liefern. CDU-Röttgen warf Scholz auf X vor, er wolle sich als „Friedenskanzler“ profilieren. In diesem keineswegs „herrschaftsfreien“ Diskurs stellt sich die Frage: Welche Parteien wählten eigentlich die Menschen, denen „Friedenssicherung“ wichtig ist? Trugen sie zu den Gewinnen von BSW und AfD beziehungsweise zu den Verlusten von SPD und Grünen bei?

Für 37 Prozent der BSW-Wähler war „Friedenssicherung“ das wichtigste Thema. Bei den SPD-Wählern galt das für 32 Prozent. Für sie stand „soziale Sicherheit“ (35 Prozent) an erster Stelle. Bei Union und Grünen nannten 28 respektive 27 Prozent „Friedenssicherung“ als Wahlmotiv. Dagegen waren es bei den AfD-Wählern unterdurchschnittliche 17 Prozent (2019: 7 Prozent). Hauptmotiv für die Wahl der AfD war nicht „Friedenssicherung“, sondern „Zuwanderung“ mit 46 Prozent (2019: 57 Prozent).

Union und Ampel stehen für „Frieden durch Waffen“. BSW und AfD wollen Verhandlungen mit Russland. Die Gewinne von BSW und AfD wertete Außenpolitik-Professor Thomas Jäger von der Universität zu Köln auf X so: „Putins hybride Kriegsführung via Propaganda wirkt.“ Eine andere Variante lautete: „In der Ex-DDR haben die Putin-Parteien eine Mehrheit.“ Dem trug Friedrich Merz im ZDF-Sommerinterview Rechnung. Die Landtagswahlen im Osten im Blick, sagte er zur Ukraine: „Wir müssen Möglichkeiten eröffnen, wie dieser Konflikt auch irgendwann einmal beendet wird.“

Beate Landefeld
Beate Landefeld

Vor allem das BSW gewann um den Frieden besorgte Wähler. 580.000 wechselten von der SPD zum BSW. 470.000 kamen von der PDL, 260.000 von der Union, 230.000 von der FDP, 160.000 von der AfD, 150.000 von den Grünen, 140.000 von den Nichtwählern. Die größten Portionen der SPD-Verluste gingen aber an die Union (1 Million 490.000) und die Nichtwähler (2 Millionen 490.000). Auch die Grünen verloren primär an Union (580.000) und Nichtwähler (560.000). Die Wanderungen verweisen auf starke Polarisierung und Verunsicherung. Dabei verlor wahrscheinlich auch die DKP an das BSW.

Die EU-Wahl, die Wahlen in Frankreich und Großbritannien zeigen, dass die Kriegsparteien in den NATO-Ländern weiter an Integrationskraft verlieren, ihre Herrschaft aber nicht bedroht ist. Von rechtspopulistischen Parteien, die, egal was sie sagen, am Ende immer als Parteien des Kapitals fungieren, ist keine Änderung zu erwarten.

Die AfD schießt gegen die USA. Zum Expansionsdrang des deutschen Monopolkapitals schweigt sie. Sie stellt Linke und Migranten als Urheber allen Übels dar. Von den Kapitalisten lenkt sie ab. Die aggressive Ostexpansion belastet in erster Linie die Masse der Lohnabhängigen und Werktätigen. Sie haben ein objektives Interesse an Koexistenz und gleichberechtigter Kooperation mit Russland und China. Soll die Friedensbewegung Wirkung erzielen, braucht sie die Unterstützung der organisierten Arbeiterbewegung und der Werktätigen. Dass auch das BSW hierzu beitragen wird, ist zumindest eine Hoffnung.

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"EU-Wahl und Friedensfrage", UZ vom 12. Juli 2024



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