Die Auseinandersetzungen innerhalb der EU um eine einheitliche wirtschaftspolitische Strategie in der Coronakrise gewinnen rasch an Schärfe. In der vergangenen Woche berichtete der Nachrichtensender n-tv, die EU-Kommission habe vor, milliardenschwere Zuschüsse für die Arbeitslosenversicherungen derjenigen Mitgliedstaaten, die durch die Krise besonders hart getroffen seien, durch die Ausgabe eigener Anleihen auf den Finanzmärkten zu ermöglichen.
Diese oftmals als „Corona-Bonds“ bezeichneten Anleihen werden in Berlin ebenso strikt abgelehnt wie schon während der Eurokrise die Ausgabe von Eurobonds. Am vergangenen Samstag erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nun, Brüssel arbeite nicht an der Begebung eigener Anleihen; hinter dem „Schlagwort“ Corona-Bonds stehe die „größere Frage der Haftung“ und diesbezüglich seien die „Vorbehalte in Deutschland“ und in anderen Ländern in der Mitte sowie im Norden des Kontinents durchaus „berechtigt“. Dennoch brachte die EU-Kommissionschefin ihre Sorge über die wachsende wirtschaftliche Kluft in der EU zum Ausdruck; schließlich sei es das Ziel der Union, „wirtschaftlich zusammenzurücken“. Italien sei unverschuldet in die Coronakrise geraten und schwer angeschlagen; es gelte nun, „gesunde“ Unternehmen zu retten. Die EU-Kommission arbeite deshalb an einem Wiederaufbauplan.
Der schwelende Streit um die Einführung gemeinsamer EU-Anleihen war letzte Woche während einer Videokonferenz der EU-Staats- und Regierungschefs offen zutage getreten. In den aktuellen Auseinandersetzungen bildeten sich Frontverläufe heraus, wie sie schon die Differenzen in der EU im Kampf gegen die Eurokrise charakterisierten: Während Frankreich, Italien und Spanien auf die Einführung gemeinsamer Anleihen drängten, blockierte Deutschland, flankiert von Österreich und den Niederlanden, auch diesmal das Vorhaben. Bundeskanzlerin Merkel sei „irritiert“ gewesen von der „Aggressivität des italienischen Premiers“, berichteten deutsche Medien unter Verweis auf Regierungsquellen. Immerhin sei es Berlin gelungen, einen „Etappensieg“ zu erringen, indem die Entscheidung um zwei Wochen vertagt worden sei. In der Zwischenzeit soll die Eurogruppe unter dem portugiesischen Sozialdemokraten Mario Centeno ein neues Konzept für einen EU-Rettungsschirm ausarbeiten, in dessen Rahmen die EU den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise begegnen soll. Italiens Premier Conte forderte angesichts der schweren Lage, in der sich sein Land befindet, bei der Videokonferenz Sofortmaßnahmen, die Merkel jedoch erfolgreich abblockte.