EU putzmunter

Lucas Zeise über den Freihandel, der gegen das Volk ist

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Das Hauptproblem für die EU besteht zurzeit darin, den Zugang zu den beiden weltweit größten Märkten für ihre Monopolkapitalisten zu erhalten. Man muss anerkennen, dass sie das bisher mit verteilten Rollen des führenden Personals einigermaßen geschickt erreicht. Weniger Sorge bereitet Britannien. Dem Land wurde von den Regierungschefs vor einer Woche in Brüssel nach seinem endgültigen Ausstieg aus der EU ein Freihandelsabkommen angeboten. Zugleich entschieden sie, solidarisch wie sie bei der Feindbestimmung gern sind, dass die Regierung in London Recht hat, wenn sie Russland und dessen Präsident Putin für einen Giftanschlag in Südengland verantwortlich macht. Zum ersten Mal nach langer Zeit waren sich bei einer Kampagne rechte Blätter, rechte Sender und Premierministerin May einig, sodass letztere in der Gunst des Publikums laut Umfragen endlich einmal ein paar Punkte gewann. Das lenkt auch ab von der schwierigen Frage, wie sich das „Vereinigte Königreich“ im Reigen der zweitrangigen imperialistischen Staaten positionieren soll. Die Brexit-Entscheidung vor beinahe zwei Jahren war ohne die Unterstützung weiter Teile der herrschenden Klasse zustande gekommen. Vor allem der im Land dominierende Finanzsektor hat vom Austritt aus der EU Nachteile zu erwarten. Die Unzufriedenheit mit der EU und die im imperialistischen Staatenverbund stärker werdende Dominanz Deutschlands führte dazu, dass eine lautstarke Minderheit bei den Tories, der quasi-natürlichen Herrschaftspartei des Landes, für den Brexit eintrat.

Allerdings haben die rechten Brexit-Anhänger keine Strategie, wie dabei zu verfahren sei. Der von den Medien vermittelte Eindruck ist ausnahmsweise korrekt, dass Theresa May und ihr Kabinett keinen Plan haben, wie die EU-Mitgliedschaft abgewickelt werden kann und was dann folgen soll. Das wiederum macht es den Unterhändlern auf der Seite der Rest-EU leicht. Sie plädieren für den Status quo. Demzufolge wurde als erster Schritt einvernehmlich die Übergangszeit nach dem Austritt verlängert: Wenn im März nächsten Jahres Britannien formell aus der EU ausscheidet, bleibt bis Ende 2020 zunächst mal alles so wie es ist. Es werden keine Zölle zwischen Britannien und den Restländern erhoben. Ein erheblicher Zeitgewinn. Der für das britische Finanzkapital wichtigere Punkt ist jedoch die Frage, ob die Londoner Banken wie bisher ihre Geschäfte in allen EU-Ländern betreiben können. Dabei geht es um viele Milliarden Pfund oder Euro und nebenbei die Zukunft Londons als wichtigstes (oder – je nach Zählweise – hinter New York zweitwichtigstes) Finanzzentrum des Globus.

In dieser Frage sind sich die britischen Kapitalisten einig: Wie bisher sollten britische Banken behandelt werden, als wären sie EU-Inländer. Das Industriekapital auf dem Kontinent ist sich dagegen nicht sicher, ob es gerne auf den intimen Zugang zur alten Finanzmetropole verzichtet und stattdessen die heimischen Banken stärkt. Die Regierungen in Paris und London sehen Chancen, ihre jeweils heimischen Finanzzentren zu stärken. Um Banken von London nach Frankfurt zu locken, haben die Koalitionsparteien vereinbart, deswegen den Kündigungsschutz für höhere Angestellte zu lockern.

Zugleich unternimmt die EU Einiges zur inneren politischen Stärkung. Das imperialistische Bündnis soll noch wettbewerbsfähiger gemacht werden. Die Kommission schlägt einen Belohnungsfonds vor, der noch vor der Sommerpause verabschiedet werden soll und denjenigen Staaten Geld gewährt, die gegen ihre Bürger „Reformen“ durchziehen. Mit Reformen sind die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, Absenkung des Lohnniveaus und der Mindestlöhne und ein höheres Renteneintrittsalter gemeint. Vorbild ist, wie man sofort erkennt, die deutsche Agenda 2010 und in der Art der Durchführung die Eurokrise 2012/13, als die „Troika“ im Auftrag des EU-Rates und speziell Berlins solche Maßnahmen gegen Hilfskredite in den südlichen EU-Ländern durchsetzte. Erfolg leider wieder nicht ausgeschlossen.

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"EU putzmunter", UZ vom 29. März 2018



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