Schäuble bremst die EU-Einlagensicherung“ freut sich die FAZ. Deutschland habe „in einem wichtigen Punkt nun einen Teilerfolg erzielt.“ Dieser „Teilerfolg“ bestehe darin, „dass der von der EU-Kommission vorgeschlagene und von der Bundesregierung bisher abgelehnte gemeinsame Einlagensicherungsfonds allenfalls über den Weg einer zwischenstaatlichen Vereinbarung der beteiligten Länder und nicht in einem EU-Gesetzgebungsverfahren auf den Weg gebracht werden kann“. Konkret: Berlin hat ein zentrales Element der europäischen Bankenunion, den Einlagensicherungsfonds, EDIS, zu Fall gebracht. Na, wenn dass kein Grund zur Freude ist.
Die Lage ist entgegen der amtlich/medialen Gesundbeterei alles andere als entspannt. Und das gilt nicht nur für Griechenland. Ganz gleich wie die Abstimmung am 23. Juni in Großbritannien ausgehen wird, die Euro-Skeptiker sind auf dem Vormarsch. Die düsteren Konjunkturaussichten, die weiterhin schwelende Krise und die brutale Abwälzung der Krisenlasten mit Hilfe einer rigiden Austeritätspolitik auf die arbeitende Bevölkerung wird die Ausstiegsstimmung weiter anheizen. Sie wird aber auch die Schieflage der Finanzindustrie weiter befördern. Es gibt durchaus Gründe, warum der Chef der Eurogruppe, Jeroen Djisselbloem, die geplante europäische Bankenunion weiter voran treibt. Aber eben auch solche, warum der Bundesfinanzminister sie torpediert.
Zu Beginn der Eurokrise hatten hochaufmunitionierte Finanzspekulanten begonnen – trotz der Gemeinschaftswährung – auf die Insolvenz einzelner Eurostaaten zu wetten. Mit gutem Grund. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, die Vergemeinschaftung des Risikos als Lösung erscheinen zu lassen“, verkündete die Kanzlerin in der Regierungserklärung am 15. Dezember 2010. Ein Euro ist seither nicht mehr ein Euro. Diese Solidaritätsverweigerung wurde zum (kostspieligen) Prinzip der Bundesregierung, wenn auch die Kanzlerin immer in dem Moment umfällt, in dem es real um die Existenz der Eurozone geht. Trotz hunderte Milliarden-schwerer Rettungsschirme war erst wirklich Ruhe als EZB-Chef Mario Draghi am 26. Juli 2012 („Whatever it Takes“) die prinzipiell unbegrenzten Munitionsvorräte der Zentralbank in Anschlag gebracht hatte.
Seither gibt es im Euro-Krisenmanagement mindestens zwei widerstreitende Ansätze. Zum einen das Bemühen, sozusagen im Gesamtinteresse, eine Stabilisierung der Lage, zumindest des wackligen Finanzsektors, hinzubekommen. Dazu zählt die im Mai 2014 beschlossene Europäische Bankenunion. Zum anderen hatte die finanzielle Schieflage großer Teile der „Euro-Peripherie“ die Damen und Herren in Berlin und Frankfurt in die exzellente Lage versetzt, die Finanzpolitik der Eurozone souverän zu bestimmen und damit ein austeritätspolitisches Formierungskonzept für fast den gesamten Kontinent durchsetzen können. Diese Position gilt es daher mit allen Mitteln zu verteidigen. Um den „Reformdruck“ weiter aufrecht erhalten zu können, ist Berlin/Frankfurt an einer nachhaltigen Stabilisierung nicht wirklich interessiert. Geradezu exemplarisch wurde diese Strategie, für alle demonstrativ sichtbar, im Falle des notleidenden Griechenlands durchexerziert.
Für die Bankenunion bedeutet das, dass hier zwar ein (fraglicher) Aufsichts- und Abwicklungs-„Mechanismus“ geschaffen wurde, also die zentralen Europäischen Kontrollinstanzen, vor allem aber die Position der EZB gestärkt wurde, aber alles was nach „Vergemeinschaftung des Risikos“ aussieht, also die gemeinsame Einlagensicherung, weiterhin des Teufels ist. Die Position Schäubles lässt sich in etwa so zusammenfassen. Wenn es gelingt, die Risiken auf Null zu minimieren, können wir sie meinetwegen vergemeinschaften. So lange das nicht der Fall ist, wird es mit Berlin keine Einlagensicherung geben. Also nie.
Natürlich liegt das alles meilenweit von einer wirklichen Lösung des Problems (soweit das im Kapitalismus möglich ist) entfernt. Dies hätte zumindest einen radikalen Schnitt der Staatsschulden, eine drastische Schrumpfung des Finanzsektors und das Verbot seiner spekulativen Elemente und nicht zuletzt die Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen zur Voraussetzung. Das wird vom geschäftsführenden Personal selbstredend weder gewollt noch gekonnt. Es wäre aber gewissermaßen die Voraussetzung für so etwas wie eine sinnvolle EU-Bankenunion gewesen.
Und so sehen sich Sparkassen und Raiffeisenbanken nicht zu Unrecht von einem hypertrophen Finanzsektor, der auf weite Strecken einem gigantischen Casino gleicht, dort wo es ums Risiko geht, in eine „Solidargemeinschaft“ gezwungen. Dass DSGV-Chef Georg Fahrenschon EDIS als „eine Art zentralistische Zwangshaftung“ sieht, klingt zwar nach partikularistischer Froschperspektive, liegt aber im Trend des von dem finanz- und austeritätspolitisch vermachtet und formierten Konzerneuropa enttäuschten, nationalstaatlich argumentierenden Euroskeptizismus.