Polizei und Justiz üben sich in Stimmungsmache gegen Flüchtlinge

Etablierte Brandbeschleuniger

Von Markus Bernhardt

Die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in Deutschland werden zunehmend unerträglicher. Bereits seit Monaten kommt es zu rassistischen Kampagnen und Aufmärschen gegen Flüchtlinge und deren Unterkünfte. In verschiedenen Kommunen kam es in den letzten Wochen außerdem zu Brandanschlägen auf noch unbewohnte Wohnhäuser, die Flüchtlingen als Unterkunft dienen sollten.

Angeheizt wird der rechte Mob der Flüchtlingsgegner unterdessen von etablierten Politikern, wie etwa dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU). Dieser wollte jüngst einen „dramatischen Anstieg der Asylbewerberzahlen“ ausgemacht haben, der das von ihm geführte Bundesland an seine Belastungsgrenze führe. Dies gelte in organisatorischer, personeller und auch finanzieller Hinsicht, schwadronierte er weiter. Es gelte daher „massiv entgegenzusteuern“. Außerdem müsse man „klar benennen, um was es geht, wenn Menschen ohne Schutzanspruch nach Deutschland kommen, wie zum Beispiel vom Westbalkan: Asylmissbrauch“, so der CSU-Chef.

Kritik erntete der CSU-Hardliner dafür vom Linkspartei-Vorsitzenden Bernd Riexinger. „Ich stelle mit Erschrecken fest, dass insbesondere Herr Seehofer und die CSU zu einem billigen Populismus in der Asylfrage zurückgekehrt sind“. „Wenn Herr Seehofer von massenhaftem Asylmissbrauch spricht, dann bedient er ganz billigen Rassismus in Deutschland“. Damit motiviere Seehofer indirekt Rechtsextreme zu Anschlägen auf Asylunterkünfte, stellte Riexinger klar.

Fernab der etablierten Politik übten sich in den letzten Tagen jedoch auch hochrangige Polizeibeamte in übler Stimmungsmache. Anlässlich der Vorstellung des „Jahresberichtes der Bundespolizei 2014“ am 13. Juli betonte etwa der Präsident des Bundespolizeipräsidiums, Dr. Dieter Romann, dass „man sich“ sicherlich darüber streiten könne, „ob man mehr Zuwanderung will oder weniger oder welche Zuwanderung man will. Doch egal, für welche Variante wir uns in Deutschland entscheiden: Sie setzt in jedem Fall eine Steuerung voraus“. Man müsse auch „Nein“ sagen können – „und dieses ‚Nein‘ auch durchsetzen können“, so Romann weiter. Außerdem begrüßte er die von Bundesinnenminister Thomas de Maizière „angestoßenen Beschleunigungen der Asylverfahren sowie die Änderungen zur besseren Durchsetzbarkeit von Ausreisepflichten“ als „richtigen Schritt“.

„Wenn alle Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen aus dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ) und dem Dubliner Übereinkommen (DÜ) nachkämen, dürften an den Landgrenzen der Bundesrepublik überhaupt keine unregistrierten Flüchtlinge ankommen“, wusste auch Heiko Teggatz, erster stellvertretender Bundesvorsitzender der offen reaktionären DPolG-Bundespolizeigewerkschaft zu berichten. „Jeder unregistrierte Asylsuchende ist bei seiner Ankunft in Deutschland offensichtlich unkon-trolliert durch mindestens zwei Schengenstaaten gereist. Hier liegt der Hase im Pfeffer! Daran muss dringend auf europäischer Ebene gearbeitet werden“, forderte Teggatz. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) positionierte sich ähnlich. So wandte sich Jörg Radek, stellvertretender Bundesvorsitzender der GdP, mit einem Brandbrief an Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). Darin kritisierte der Gewerkschaftsvize, dass die Bundespolizei nicht mehr in der Lage sei, wie gesetzlich vorgeschrieben, die Fingerabdrücke von Flüchtlingen bei der Einreise zu nehmen.

„Niemand weiß bei diesen Verfahren, welche Personen tatsächlich nach Deutschland gekommen sind und zu welchem Zweck, ob es sich um Flüchtlinge oder Rückkehrer aus Bürgerkriegsregionen handelt. Wenn schon die Feststellung der wahren Identität ohnehin in vielen Fällen schwierig ist, so ist das jetzige Verfahren eine Einladung zur Identitätsverschleierung“, schrieb Radek an den Bundesinnenminister.

Während sich somit auch Behörden und staatliche Institutionen zunehmend an der pauschalen Verächtlichmachung von Flüchtlingen beteiligen und sich Meldungen über rassistische Kontrollen und Übergriffe von Polizisten auf Migranten häufen, kann die Bundesregierung keinen Rassismus in staatlichen Institutionen erkennen, wie sie auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei-Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen antwortete.

„Anstatt den Schutz der oftmals traumatisierten Flüchtlinge zu gewährleisten und ihnen endlich die ihnen zustehenden sozialen Rechte zu gewährleisten, sieht die Bundesregierung diesem brandgefährlichen Treiben weiterhin tatenlos zu. Sie macht sich damit mitschuldig an der rassistischen Gewaltwelle in Deutschland“, kritisierte Dagdelen daraufhin. Es bedürfe „massivem Druck aus der Gesellschaft gegen das organisierte Wegschauen der großen Koalition gegenüber Diskriminierung und Rassismus“, forderte sie.

Tatsächlich scheinen Antirassisten in nicht wenigen Kommunen der Bundesrepublik dafür Sorge tragen zu müssen, dass es nicht wie in den 1990er Jahren zu einer Welle mörderischer Anschläge kommt. Eigentlich wäre dies die Aufgabe der Polizei. Deren Vertreter zündeln jedoch offensichtlich lieber selbst mit, in dem sie Öl ins wieder lodernde rassistische Feuer gießen.

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"Etablierte Brandbeschleuniger", UZ vom 24. Juli 2015



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