Zu den Angriffen im Nahen Osten

Eskalationsspirale

Staatliche Souveränität und Hoheitsgebiet – das war einmal. Ob Angriffe auf Libyen oder Jemen – die Grenzen zwischen Krieg und Frieden sind fließend. Heute sind die USA Meister darin, auf fremdem Staatsgebiet Drohnenangriffe zu fliegen, die Türkei besetzt Gebiete in Syrien und im Irak und Israel bombardiert immer wieder Syrien – hunderte Male in den letzten Jahren, seit Oktober wurden die Angriffe sogar noch verstärkt.

Daneben gehören niedrigschwellige Angriffe zum Standardrepertoire. Unzählige Wissenschaftler, Sportler und Künstler wurden in gezielten Angriffen in den Anfangsjahren des Krieges in Syrien getötet, im Iran fielen vor allem Atomwissenschaftler diesen Angriffen zum Opfer.

Ende Dezember tötete Israel einen hochrangigen iranischen Kommandeur in Syrien und zuletzt kam es zu einem besonders blutigen Anschlag in Kerman im Iran anlässlich des Jahrestags der Ermordung des Generals der iranischen Revolutionsgarden. 90 tote Zivilisten und viele Verletzte waren das Ergebnis.

Die iranische Regierung wollte das nicht ohne Reaktion hinnehmen – gegenüber der eigenen Bevölkerung wie gegenüber dem Ausland. Im Einvernehmen mit der syrischen Regierung griff das iranische Militär mit Raketen Dschihadisten in Idlib an, gegen den Protest der irakischen Regierung Ziele in den kurdischen Gebieten des Irak und sogar Ziele in Pakistan – immerhin eine Atommacht. Aus Pakistan erfolgte eine schnelle Antwort. Das pakistanische Militär griff seinerseits Ziele im Iran an.

Am Ende wurde das Einvernehmen zwischen Iran und Pakistan schnell wiederhergestellt. Beide Staaten sind Mitglieder in der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die angebotene Vermittlung durch China war nicht ­nötig.

Die angegriffenen Ziele waren in vergleichbarer Entfernung wie mögliche Ziele in Israel. Der Iran hatte seine Botschaft übermittelt. Er war in der Lage und auch willens, seine Langstreckenwaffen einzusetzen – auch gegen eine Atommacht. Ob es der Abschreckung dient, kann jedoch bezweifelt werden. Erneut griff die israelische Luftwaffe Syrien an und tötete fünf weitere iranische Militärberater.

Der iranische Präsident Ebrahim Raisi hat bereits eine Reaktion auf diesen Angriff angekündigt. So wird aus der gegenseitigen Abschreckung eine Spirale der Eskalation, die ohne Waffenstillstand in Gaza kein Ende findet.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Eskalationsspirale", UZ vom 26. Januar 2024



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Stern.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit