Auch nach fünf Jahren ist das Friedensabkommen nicht umgesetzt

Eskalation der Gewalt in Kolumbien

In Kolumbien geht die Gewalt der staatlichen Einsatzkräfte gegen demonstrierende Menschen weiter, ohne dass es zu nennenswerten Äußerungen, gar Protesten der Bundesregierung gekommen wäre. Es handelt sich nicht um Venezuela, also bleibt sich Berlin in seiner Verbundenheit mit dem Terrorstaat Kolumbien treu.

Dagegen protestierten allerdings die Vereinten Nationen, und selbst die EU rief zur Mäßigung auf. Mit Stand 15. Mai waren der ausufernden Gewalt der Polizei, die in Kolumbien dem Militär und damit im Rahmen der Doktrin vom „inneren Feind“ dem Verteidigungsministerium untersteht, mehr als 50 Menschen zum Opfer gefallen, nachdem sich die Proteste gegen ein Gesetz, das eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für einige Basisprodukte zum Ziel hatte, seit dem 26. April landesweit verbreitet hatten. Die meisten Opfer sind junge Leute; in Popayán, im Süden des Landes, wurde eine 17-Jährige von vier Angehörigen der Aufstandsbekämpfungseinheiten (ESMAD) misshandelt, worauf sie sich das Leben nahm. Die Tochter eines Polizisten hatte die Taten in einem Abschiedsbrief beschrieben und damit die Darstellung der Behörden konterkariert. Etwa 750 Menschen gelten als vermisst und mehr als 900 Protestierende wurden verhaftet.

In Kolumbien leben 42,5 Prozent der etwa 50 Millionen Einwohner in Armut; die Hälfte davon wiederum in extremer Armut. Vor einem Jahr hatte die Zahl der Armutsbetroffenen noch bei etwa 30 Prozent gelegen. Auch die zwischenzeitliche Rücknahme des Gesetzentwurfs hatte die Proteste nur kurzzeitig ausbremsen können. Der linke Senator Iván Cepeda, dessen Vater 1994 im Rahmen des schmutzigen Krieges als Generalsekretär der Kolumbianischen Kommunistischen Partei ermordet worden war, hat gegen Präsident Iván Duque, seinen Verteidigungsminister Molano und gegen die Chefs von Polizei und Heer, Vargas und Zapateiro, Klage vor dem Internationalen Strafgerichtshof eingereicht. Außenministerin Blum ist derweil zurückgetreten.

Zehntausende gehen in allen Ecken des Landes weiterhin nahezu täglich auf die Straße, wobei es auch zu Plünderungen kommt; rechtsextreme Paramilitärs schießen auf die Demonstranten und unterstützen die Polizei somit bei der gewaltsamen Unterdrückung der Protestbewegung. Dabei sind die Massenaufstände gleichzeitig Ausdruck eines tiefer gelagerten Problems und ihre gewaltsamen Ergebnisse im Grunde nicht mehr als ein „Mehr vom Gleichen“: Bereits 33 Massaker hat es selbst nach Regierungsangaben 2021 gegeben. Der Friedensschluss mit den FARC ist auch fast fünf Jahre später noch nicht in der Gesellschaft angekommen, weil er erstens die sozialen Gründe der vielen Aufstände in Kolumbien nicht angetastet hat und zweitens unberücksichtigt ließ, dass die FARC bei Weitem nicht die einzige bewaffnete Gruppe waren – wenn auch die erfahrenste, größte und marxistisch politisierteste. Frieden – so haben es die Kommunisten und andere Linke immer wieder betont – gibt es nur mit gesellschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit.

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"Eskalation der Gewalt in Kolumbien", UZ vom 21. Mai 2021



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