Nach längerem Schweigen haben die Generäle a. D. Harald Kujat und Erich Vad die Kriegspolitik der Bundesregierung in den vergangenen Tagen scharf kritisiert. Ähnlich äußerte sich der Sicherheitsexperte Markus Kaim von der regierungsnahen Stiftung „Wissenschaft und Politik” am Freitag in „Spiegel-online”.
Der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Kujat und der ehemalige militärpolitische Berater Angela Merkels, Vad, hatten sich im vergangenen Jahr mehrfach kritisch zur militärischen Reaktion des Westens auf das russische Eingreifen in den Ukraine-Krieg geäußert. Sie waren daraufhin von bürgerlichen Medien angegriffen und wegen teilweise falscher Prognosen zum Kriegsverlauf verspottet worden. Vad hatte sich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, Kujat kommt in großen Medien nicht mehr zu Wort.
Vad meldete sich am 12. Januar mit einem Interview, das er der Zeitschrift „Emma” gab, zurück. Er warnte darin, dass sich die Bundesregierung mit der Lieferung von „Marder”-Schützenpanzern auf „eine Rutschbahn” begebe. Das könne „eine Eigendynamik entwickeln, die wir nicht mehr steuern können“. Es sei zwar „richtig, die Ukraine zu unterstützen und natürlich ist Putins Überfall nicht völkerrechtskonform“, aber nun müssten „doch endlich die Folgen bedacht werden“. Es sei naiv zu glauben, Russland würde im Fall, dass es „von der Weltbühne abtreten” müsse, „nicht zu Atomwaffen greifen“.
Vad sprach von „annähernd 200.000 gefallenen und verwundeten Soldaten auf beiden Seiten, 50.000 zivilen Toten und Millionen von Flüchtlingen”. Er beklagte „eine Gleichschaltung der Medien, wie ich sie so in der Bundesrepublik noch nie erlebt habe”. Der bisherige Kurs von Kanzler Scholz habe ihm gefallen, aber der Schlüssel für eine Lösung des Krieges liege in Washington und Moskau. Am vergangenen Sonntag war Vad im CSU-dominierten „Bayerischen Fernsehen“ zum „Politischen Stammtisch” eingeladen, wo er erneut vor einem dritten Weltkrieg warnte. Die Forderungen nach einem Rückgewinn von Donbass und Krim oder gar Russland vernichtend zu schlagen seien verantwortungslos.
Bereits am 18. Januar erschien in der Schweizer Zeitung „Zeitgeschehen im Fokus“ ein langes Interview mit Kujat. Er wiederholte seine Ansicht, dass man diesen Krieg hätte verhindern können, und fragte, wer daran ein Interesse habe. Je länger der Krieg dauere, „desto größer wird das Risiko einer Ausweitung oder Eskalation“. Ein fertiges Waffenstillstandsabkommen sei im Frühjahr 2022 vom Westen torpediert worden. Das erklärte Ziel der USA sei es, „Russland politisch, wirtschaftlich und militärisch so weit zu schwächen, dass sie sich dem geopolitischen Rivalen zuwenden können, der als einziger in der Lage ist, ihre Vormachtstellung als Weltmacht zu gefährden: China“.
Vad und Kujat wiederholten Positionen, die sie bereits früher vertreten hatten. Überraschend neu war dagegen Kaims Wortmeldung. Angesichts der schrillen Debatte um deutsche Waffenlieferungen an Kiew warnte er, die Politik drohe „Maß und Mitte” zu verlieren und „zur Getriebenen der Lautrufer” (Olaf Scholz) zu werden. Angesichts der „dürftigen Begründung für deutsche Waffenlieferungen“ – „keine roten Linien“, „Selbstverteidigungsrecht” der Ukraine – stocke „einem fast der Atem: Mit einem derartigen Freibrief ließe sich auch die Lieferung taktischer Nuklearwaffen an die ukrainischen Streitkräfte rechtfertigen.”
Noch sind die Stimmen der Vernunft vereinzelt. Dennoch deuten die Auftritte der Genannten darauf hin, wie groß die Weltkriegsgefahr ist und dass ein Ringen eingesetzt hat, um den blinden Kurs dorthin zu ändern. Ausgang offen.