Ein Lob für das neue Heft der „Marxistischen Blätter“

Es war alles ganz anders

Von Herbert Becker

Das Heft eignet sich hervorragend für die politische Arbeit, besonders auch in den anstehenden Debatten rund um „70 Jahre DDR“. Zu beziehen über den Neue Impulse Verlag in Essen, das Einzelheft kostet 9,50 Euro, Aktionsrabatt 50 Prozent.

Ein Zitat soll die Vorstellung des neuen Heftes der „Marxistischen Blätter“ einleiten: „Aber wessen sollten wir uns rühmen, wenn nicht der DDR?“, geschrieben hat das Peter Hacks. Vor 70 Jahren wurde die DDR gegründet, die bürgerlichen Medien und die herrschende Politik sind schon längst damit beschäftigt, viele Facetten des „Unrechtsstaates“ zu beschreiben und zu beleuchten. Umso wichtiger ist es, dass dagegengehalten wird. Nicht nur, dass die DDR ein Friedensstaat war, nicht nur, dass die DDR ein vorbildlicher Sozialstaat war, das Heft der „Marxistischen Blätter“ macht deutlich, dass die DDR ein „Kulturstaat“ war, deshalb zu Recht die Titelgebung für Heft 3/2019.

Kai Köhler und Hermann Kopp darf das Verdienst zugerechnet werden, kompetente Autoren mit qualifizierten Beiträgen gefunden zu haben: Hans-Günter Dicks macht den Anfang, er geht auf die Geschichte der DEFA und damit auf die Arbeit und die Produktionen der Filmwirtschaft in der DDR ein. Er geht gründlich auf die Situation nach der Konterrevolution ein, da eine komplette Jahresproduktion vorlag, die nun unter die Hammerschläge kapitalistischer Nichtverwertung geriet. Auch Peter Michel, seit Jahrzehnten engagierter Förderer der Bildenden Kunst, richtet sein Augenmerk auf die Jahre nach 1989. Stichworte sind wüster Vandalismus im öffentlichen Raum, das Verschwinden ganzer Bestände der DDR-Kunst in den Depots, das Ende des Verbandes der Bildenden Künstler, der Versuch bürgerlicher Feuilletons, in Bausch und Bogen die Künstler zu diskreditieren. Kai Köhler hat eine Fleißarbeit geleistet, er prüfte die Nachschlagewerke zur neueren Literaturgeschichte der BRD und welchen ideologischen Bewertungen die Schriftstellerinnen und Schriftsteller der DDR vor 1989 und dann später unterzogen wurden. Dabei wird mehr als deutlich, dass keine ästhetischen und handwerklichen Kriterien den Maßstab bilden, sondern die Vorgaben, die der politische und ideologische Mainstream wünschte. Dazu passt der ausführliche Beitrag von Rüdiger Bernhardt, einem der wichtigsten Vorarbeiter im Zuge der Zirkel schreibender Arbeiter nach dem „Bitterfelder Weg“, ein Sammelbegriff für die vielfältigen Anstrengungen in der DDR seit 1959, die künstlerischen Entwicklungen und die kulturelle Bildung der arbeitenden Menschen im Lande zu fördern. Eher autobiografisch gehalten ist der Text von Armin Stolper, der seinen Lebensweg vom mühsam bestandenen Abitur 1949 über Stationen als Dramaturg an Theatern in Senftenberg, Halle und Berlin Revue passieren lässt und dabei, spätestens als er eigene Stücke für die Bühnen schreibt, komische und ärgerliche Auseinandersetzungen und Streit mit ängstlichen oder engstirnigen Funktionären aus Partei und Staat mit der gelassenen Weisheit des Alters kommentiert. Viel zu wenig bekannt ist die großartige Rolle, die der „Kulturbund“ der DDR alle Jahre seit seiner Gründung 1946 spielte. Ludwig Elm geht kenntnisreich auf die Gründung ein. Der Kulturbund verstand sich die ersten Jahre als eine gesamtdeutsche Organisation, die den antifaschistisch-demokratischen Auftrag für das ganze Land im Blick hatte. Der „Kalte Krieg“ machte dies kurze Zeit später unmöglich, in der West-BRD wurde der KB verboten. Elm ist sich sicher, dass der Kulturbund in der DDR, „weitgehend frei von anmaßendem Zentralismus und unablässigen doktrinären Vorgaben“, wichtige Arbeit geleistet hat.

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"Es war alles ganz anders", UZ vom 9. August 2019



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