„… es kommt aber darauf an, sie zu verändern“

Gerhard Ziegler im Gespräch mit Manfred Jansen

UZ: Ihr habt Anfang 2016 eure Sammelgruppe gegründet. Was hat euch dazu veranlasst?

Manfred Jansen: Wir hatten in unserer Wohngebietsgruppe vier neue Mitglieder aufgenommen. Die Gruppe war zu groß geworden, um alle effektiv einbeziehen zu können.

Wir hatten auch heftige Diskussionen über das notwendige Theorie-Praxis-Wechselverhältnis und beschlossen, statt uns darüber in brotlosen Diskussionen aufzureiben, den Erfolgstest jeweils in der konkreten Arbeit zu machen. Vor allem aber wollten wir die günstigen Voraussetzungen für die Betriebsarbeit im Klinikum, das mit 7 000 Beschäftigten einer der Stuttgarter Großbetriebe ist, nutzen.

UZ: Ihr hattet im Klinikum anfangs gar keine Mitglieder, wo lagen da die „günstigen Voraussetzungen“?

Manfred Jansen: Branchenaktiv, das heißt vielseitig herangehen, alle Möglichkeiten nutzen, Genossinnen und Genossen aus anderen Krankenhäusern einbeziehen, die Öffentlichkeit informieren, Patienten mobilisieren, mit der Belegschaft zusammenarbeiten, vor allem aber Kräfte bündeln, die Kraft von Genossinnen und Genossen auf den Schwerpunktbetrieb konzentrieren.

Manfred Jansen ist Vorsitzender des Branchenaktivs Gesundheitswesen der DKP Stuttgart. Er war vor seinem Renteneintritt IGM-Vertrauenskörperleiter und Betriebsratsvorsitzender.

Manfred Jansen ist Vorsitzender des Branchenaktivs Gesundheitswesen der DKP Stuttgart. Er war vor seinem Renteneintritt IGM-Vertrauenskörperleiter und Betriebsratsvorsitzender.

( Martin Storz)

Monika war vor ihrer Rente freigestellte Personalrätin und genießt im Klinikum großes Ansehen. Im „Stuttgarter Bündnis für mehr Krankenhauspersonal“ spielen wir eine tragende Rolle. Mit ver.di arbeiten wir solidarisch zusammen. Bei Aktivitäten unterstützen wir die Belegschaft. Wir haben neun Ausgaben unserer Betriebszeitung herausgegeben, die stets aufmerksam gelesen anfangs mit einer Auflage von 300 Exemplaren – inzwischen verteilen wir 1 500. Regelmäßig machen wir Infostände vor dem Krankenhaus. In unserer Gruppe arbeiten mittlerweile – unter anderem auch aus dem Klinikum – fast so viele Sympathisantinnen und Sympathisanten mit wie Mitglieder.

UZ: Macht ihr eigentlich auch was anderes außer Betriebsarbeit?

Manfred Jansen: Ja natürlich, wir haben die gleichen Rechte und Pflichten wie jede Grundorganisation. Wir beteiligen uns an den Aktivitäten der Gesamtpartei, machen intensiv Bildungsarbeit. Viel Zeit haben wir darauf verwendet, unser spezielles betriebsbezogenes kommunistisches Profil zu entwickeln. Ein lebendiger Theorie-Praxis-Bezug ist uns wichtig. Es geht nicht nur darum, die Welt zu erkennen, sondern es kommt auch – wie Marx sagt – darauf an, sie zu verändern.

UZ: In eurer letzten Betriebszeitung habt ihr euch kritisch mit Personalrat und ver.di auseinandergesetzt.

Manfred Jansen: Vor allem haben wir uns mit der Stadtverwaltung auseinandergesetzt, die dem Klinikum eine andere Eigentumsform überstülpen will – weg vom städtischen Eigenbetrieb zu einer „Kommunalen Anstalt des öffentlichen Rechts“. Wir sehen darin einen Schritt in Richtung Privatisierung.

Bereits 2004 sollte die Eigentumsform geändert werden, damals in eine GmbH. Das haben Beschäftigte, Personalrat und ver.di verhindert. Es gab ständige Mahnwachen im Rathaus, Veranstaltungen, Mittagspausenaktionen, eine Personalversammlung und eine große Demonstration zum Gemeinderat. Der Plan wurde fallengelassen. Stattdessen wurden vertraglich Absicherungen für die Beschäftigten und erweiterte Mitbestimmungsrechte erkämpft. Demokratie wurde damals als Aktion der Betroffenen gelebt, nicht als fatalistisches Hinnehmen parlamentarischer Mehrheiten.

Seit Frühjahr 2016 läuft nun der zweite Anlauf, diesmal zur Kommunalanstalt. Gemessen an 2004 erscheint es uns als Opportunismus, dass diesmal noch nicht einmal der Versuch unternommen wurde, Belegschaft und Öffentlichkeit zu mobilisieren. Nach mehr als zwei Jahren mehr oder weniger geheimen Verhandlungen betont ver.di zwar einerseits verbal, gegen die Änderung zu sein, zieht sich aber formal hinter die Zuständigkeit des Stadtrats zurück. Vertraglich wurde garantiert: „Beschließt der Gemeinderat diese Umwandlung, akzeptieren die Gewerkschaften und der Personalrat diese Entscheidung.“

UZ: Wo blieben die Interessen der Beschäftigten?

Manfred Jansen: Im Prinzip wurde der 2004 erkämpfte Vertrag befristet fortgeschrieben, unter anderem mit Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen. Das ist natürlich ein Erfolg, trotzdem sind kritische Nachfragen erlaubt. So verpflichtet der neue Vertrag die Beteiligten auf das Ziel „Erreichen eines ausgeglichenen Betriebsergebnisses ab dem Jahr 2021“.

Zwar sagt die Stadt zu, einen Verlustausgleich vorzunehmen, aber bloß „sofern ein eventueller Jahresverlust nur unter teilweisem Verzehr des festgesetzten Stammkapitals ausgeglichen werden kann“. Was aber ist, wenn sie verlangen, dass Verlustausgleich durch Einsparungen an Personal und Patienten erfolgt?

In diesem Kontext könnte sogar die bejubelte Einbindung der Gewerkschaften und des Personalrats in den geheim tagenden Verwaltungsrat zum Bumerang werden. Vertrauensverlust droht, wenn die Belegschaftsvertreter selbst zu Managern werden. Bei kritischen Entscheidungen könnten sie womöglich noch nicht einmal öffentlich machen, dass sie dagegen waren.

Im „Krankenhausinfo“ schrieb ver.di selbst: „dieser Verwaltungsrat tagt grundsätzlich nicht öffentlich und es besteht Verschwiegenheitspflicht“ und: „ver.di bleibt weiterhin bei seiner ablehnenden Haltung zu einer Kommunalanstalt“. Das passt aber nicht zum Nichtorganisieren des Widerstandes, und das kritisieren wir.

UZ: Geht ihr jetzt auf Konfliktkurs?

Manfred Jansen: Nein, es ist aber unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in Kämpfen – übrigens auch in Niederlagen, die durch Nichtkämpfen entstehen –, Erkenntnisse gewonnen werden. Wer Opportunismus überwinden will, muss ihn benennen und angreifen. Aber es gibt da ein Spannungsverhältnis. Die meisten Kolleginnen und Kollegen wollen ja nicht inkonsequent sein. Kampf gegen Opportunismus ist Kampf um diese Menschen und nicht gegen sie.

So muss Kritik solidarisch sein. Wir müssen in solidarischer Zusammenarbeit Probleme ausräumen und das werden wir auch weiterhin versuchen.

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"„… es kommt aber darauf an, sie zu verändern“", UZ vom 31. August 2018



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