UZ: Nicht nur am „Tag der Arbeit“, sondern auch am Tag der Befreiung vom Faschismus, am 8. Mai, kam es mancherorts zu Provokationen von Neonazis. Von welchen Vorfällen wissen Sie?
Sylvia Brennemann: Am 1. Mai haben Neonazis in einigen Städten versucht, mittels sozialer Demagogie zu punkten. Ohne den Schutz der Polizei, die den Nazis die Straße freigab und sie vor antifaschistischen Protesten abschirmte, wäre es den extremen Rechten meiner Einschätzung nach gar
nicht möglich gewesen, die Aufmärsche überhaupt durchzuführen. Besonders brutal ist die Polizei in Schwerin, im sächsischen Plauen und in Bochum gegen Nazigegner vorgegangen. Am 8. Mai kam es außerdem zu Provokationen von Neonazis in Berlin-Buch und in Karlshorst. Dass die Behörden derartige Provokationen nicht untersagt haben, ist eine Schande. Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda – erst recht nicht am Tag der Befreiung vom Faschismus. Hinzu kommt jedoch, dass die Polizei nicht nur die Provokationen der extremen Rechten schützte, sondern etwa die Befreiungsfeierlichkeiten der DKP Friedrichshain-Kreuzberg fast unmöglich machte, in dem sie vor versuchte, den Getränkeausschank, das Aufstellen von Tischen und Bänken und selbst das Aufhängen von Transparenten zu untersagen. Wir müssen diese Entwicklung mit Sorge zur Kenntnis nehmen und uns zur Wehr setzen. Es kann ja nicht sein, dass man in diesem Land wieder so weit ist, dass man den 8. Mai nicht mehr feiern darf.
UZ: Welche Bedeutung hat der 8. Mai für Sie persönlich?
Sylvia Brennemann: Der Tag der Befreiung vom Faschismus hat natürlich einen hohen politischen Stellenwert für mich. Nicht nur, weil ich
Antifaschistin bin, sondern auch, weil ich zugleich überzeugte Kriegsgegnerin bin. Beides gehört für mich zusammen. Ich würde mir außerdem wünschen, dass der 8. Mai tatsächlich gesetzlicher Feiertag würde, wie es etwa die Linkspartei fordert. In Zeiten, in denen die AfD als drittstärkste Partei gehandelt wird und rassistische Gewalt auf dem Vormarsch ist, wäre dies ein notwendiges Signal. Zugleich übrigens auch für die letzten Lebenden, die Deutschland vom Faschismus befreit haben, beispielsweise aus den Reihen der Roten Armee.
UZ: Auch beim diesjährigen UZ-Pressefest wird es wieder ein „Rotes Zelt antifaschistischer und antikapitalistischer Gruppen und Organisationen“ geben. Wer steckt dahinter? Was sind die Ziele?
Sylvia Brennemann: In unseren Reihen sind Antifaschisten und Antikapitalististen aus verschiedenen bundesdeutschen Städten aktiv. Aus Düsseldorf, Hamburg, Berlin, Frankfurt und Berlin. Das „Rote Zelt“ haben wir schon beim vergangenen UZ-Pressefest durchgeführt. Es war ein Erfolg. Insofern war für uns klar, dass es auch in diesem Jahr zu einer Neuauflage kommen sollte.
Uns alle eint, dass wir zu der Überzeugung gekommen sind, dass die politische Linke in einer existenziellen Krise steckt. Auswege aus dieser verheerenden Situatuion wollen wir mit den Besucherinnen und Besuchern des UZ-Pressefestes diskutieren.
UZ: Woran machen Sie diese Krise der politischen Linken fest? Woran mangelt es?
Sylvia Brennemann: Es gibt kaum mehr eine Grundlage für gemeinsames Handeln der unterschiedlichen linken Strömungen. Selbst in politischen Bereichen wie der Friedenspolitik und dem Antifaschismus besteht nur noch selten Einigkeit. Auch politische Geradlinigkeit ist selten geworden. Kernelemente linker Politik, wie beispielsweise ein offensiver Antikapitalismus und der Kampf gegen Imperialismus und Krieg, wurden mancherorts durch eine Politik der Beliebigkeit abgelöst. Debatten darüber werden mitunter verhindert. Eine gewisse Selbstgefälligkeit ist verstärkt zu beobachten. Nischenpolitik bestimmt Diskurs und Handeln. Dass wir im Kampf gegen Nazis, Rassisten und AfD aktuell nicht gut genug aufgestellt, liegt auf der Hand.
UZ: Und wie wollen Sie aus diesem Zustand ausbrechen?
Sylvia Brennemann: Erstmal muss man diesen Zustand erkennen und auch benennen. Dann annalysieren und Schlussfolgerungen ziehen. Dazu wollen wir mit unserem „Roten Zelt“ einen Beitrag leisten. Es dürfte den meisten Linken klar sein, dass es zu Veränderungen kommen muss. Sonst laufen wir als Linke Gefahr, auch noch weiter marginalisiert zu werden. Während die Rechte weiter erstarkt.
und veranstalten
erneut ein „Rotes Zelt“
beim UZ-Pressefest.
https://roteszelt.wordpress.com/
Ich glaube, dass es notwendig ist, dass die Gegner von Faschismus und Krieg wieder verstärkt zusammenrücken. Wir wollen diese Diskussionen befördern und mit dem „Roten Zelt“ ein antifaschistisches Angebot machen, das sich nicht nur an SDAJ- und DKP-Mitglieder richtet, sondern auch an Nazigegner, die noch nicht in den besagten Organisationen bzw. antifaschistischen Gruppen organisiert sind. Das UZ-Pressefest ist für uns jedenfalls ein Ort des Austausches. Wir sind gerne dort, auch um Genossinnen und Genossen zu treffen und mit Menschen zusammenzukommen, die die Welt ändern wollen und die herrschenden Zustände nicht einfach akzeptieren.