Wasser wird immer knapper, Konzerne sind schuld, aber zahlen fast nichts dafür

Es geht nicht ums Planschbecken

Kommunalpolitische Kolumne

Regionale Wasserknappheit wird zum Problem. Die Hauptursachen sind anhaltende Trockenheit und übermäßige Wasserentnahmen. Wer nun reumütig an die lange Dusche vom Vortag oder an das Kinderplanschbecken im kleinen Garten denkt, kann aufatmen: Privathaushalte sind nur für ein knappes Fünftel des in Deutschland genutzten Wassers verantwortlich. Nach Angaben des Umweltbundesamtes gingen im Jahr 2016 fast 53 Prozent der gesamten Wasserentnahmen auf das Konto der Energieindustrie, noch einmal 24 Prozent wurden für den Bergbau und das verarbeitende Gewerbe entnommen. Allein RWE entnimmt rund 500 Millionen Kubikmeter Wasser im Jahr, wie Recherchen von „Correctiv“ ergaben. Das entspricht dem Durchschnittsverbrauch von etwa 10 Millionen Privatpersonen. Auch die Chemieindustrie ist ganz vorne mit dabei. BASF entnimmt zwar nur 20 Millionen Kubikmeter Grundwasser, leitet jedoch auch 1,2 Milliarden (!) Kubikmeter Wasser aus dem Rhein durch seine Produktionsstätten. Zahlen müssen die Konzerne dafür fast nichts. RWE bezahlt nach eigenen Angaben 5 Cent pro Kubikmeter, bei BASF sind es nur 0,75 Cent. Einen Privathaushalt würde die gleiche Menge knapp vier Euro kosten. In vielen Bundesländern gibt es das Wasser für ausgewählte Industrien sogar ganz kostenlos.

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Vincent Cziesla

Wer glaubt, dass den Konzernen in Zeiten der Wasserknappheit der Hahn zugedreht wird, der täuscht sich. In Deutschland gibt es keine bundesweiten Vorrangsregelungen. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Damit steht unser Anspruch auf Trinkwasser dem industriellen Wunsch nach kostengünstiger Kühlung gegenüber. Und die großen Unternehmen können sich auf teils jahrzehntealte Verträge berufen, die ihnen gewaltige Wassermengen garantieren. In der Folge sinken die Pegel weiter, Wälder trocknen aus und Ökosysteme werden zerstört. Was tun die Kommunen dagegen? Nicht genug, um eine nachhaltige Versorgung abzusichern. Die Preise für Bürgerinnen und Bürger steigen. Behörden streiten um Genehmigungen. Landkreise und Versorgungswerke werden gegeneinander ausgespielt. Im Notfall wird das Wasser für Privathaushalte rationiert, wie es derzeit im Kreis Böblingen der Fall ist. Das ist auch in der kommunalen Konkurrenz begründet: Wer will schon den besten Gewerbesteuerzahler vergraulen, nur weil dieser den Wasserverbrauch einer Großstadt hat und das Umland in eine Wüstenei verwandelt? Die Länder halten sich bedeckt und auch der Bund schweigt sich bislang aus.

In den kommenden Jahren wird der Verteilungskampf um das Wasser weitere Regionen erfassen. Mancherorts sind die Entnahmemengen schon heute nah am Maximum. Dennoch kommen immer wieder Großverbraucher hinzu. Man denke nur an die Tesla-Fabrik in Brandenburg, die gebaut wurde, obwohl alle Beteiligten um die Gefahren für den Wasserhaushalt wussten. Trotz all dieser Schwierigkeiten muss das Bewusstsein bleiben: Deutschland verfügt in der Fläche über eine leistungsfähige und hochwertige Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand. Es ist wichtig, dies zu betonen. Die Freifahrtscheine für die Industrie und die geballte Untätigkeit der Politik werden Folgen haben. Wir werden nicht lange warten müssen, bis wieder nach einer Privatisierung der Wasserversorgung gerufen wird. Die herrschende Ideologie verspricht eine „optimale“ Ressourcenverteilung durch Märkte. Ihre Vertreter werden die selbstverschuldete Wasserknappheit zum Vorwand nehmen, um das wichtigste Gemeingut endgültig der Profitmacherei zu unterwerfen oder mit steigenden „Lenkungsgebühren“ zu belegen. Im Jahr 2018 gelang es, die Privatisierungspläne der EU vorerst zurückzuweisen – ein wichtiger Etappensieg. Die Losung, unter der sich Gewerkschaften und Bürgerinitiativen damals versammelten, bleibt auch für zukünftige Kämpfe aktuell: Wasser ist ein Menschenrecht!

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"Es geht nicht ums Planschbecken", UZ vom 8. Juli 2022



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