Betr.: „Zu weit oder zu zaghaft?“, UZ vom 31. Mai

Es drohte ein Bürgerkrieg

Von Gerhard Feldbauer, per Email

Zu dem informativen Beitrag einiges zur Ergänzung: Unter den agierenden Liberalen waren Intellektuelle, vor allem Hochschullehrer, die in den vorangegangenen Jahren zu Zehntausenden in den USA und Westeuropa studiert hatten.

1989 lernten in den USA 74000 junge Chinesen, in der BRD 8 000. Wie spätere Fälle bekannt machten, waren vieler von ihnen von den Geheimdiensten dieser Länder angeworben worden. Es ging, räumte selbst „Der Spiegel“ vom 12. Juni 1989 ein, darum, „ob China ein kommunistisches Land bleibt“ oder „ob es pluralistisch werden“ sollte. Symbolisiert wurde das durch die Aufstellung einer überlebensgroßen „Göttin der Demokratie“, einer dilettantischen Nachbildung der New-Yorker Freiheitsstatue, die auf dem von Studenten besetzten Tian‘anmen-Platz enthüllt wurde. Zur Leitfigur der Protestanten wurde der auf sozialdemokratische Positionen gewechselte Michael Gorbatschow, der sich zum Staatsbesuch in Peking befand und zu den Studenten sprechen wollte, was die Gastgeber verhinderten.

Westliche Medien drohten mit Wirtschafts- und Handelssanktionen, wenn den „berechtigten Forderungen“ der Studenten nicht entsprochen werde. Die Anführer der Revolte sprachen ständig davon, dass das Ausland auf ihrer Seite stehe und sie mit seiner Hilfe „siegen“ würden. Vor diesem Hintergrund eskalierten die Ereignisse. Armeepatrouillen wurden überfallen, Waffen erbeutet und eingesetzt. Geschäfte gestürmt, Polizeiposten in Brand gesetzt, Dutzende Soldaten und Polizisten brutal ermordet. DPA veröffentlichte damals das Foto eines von den „Aufständischen“ angegriffenen und in Brand gesetzten Panzers. Das chinesische Fernsehen brachte Originalaufnahmen von einem Überfall auf Militärfahrzeuge, die in Brand gesetzt und geplündert, ein Soldat getötet, der Leichnam angezündet und an einem Laternenmast aufgehängt wurde.

Der Leiter der Militärkommission Deng Xiaoping schätzte am 26. Mai 1989 ein, das sei „ein konterrevolutionärer Putsch“ unter Beteiligung der CIA und westlicher Staaten. Dennoch versuchte die Pekinger Führung noch über eine Woche durch Verhandlungen eine friedliche Lösung zu erreichen, ehe sie am 4. Juni die bewaffneten Kräfte zur Räumung des Platzes einsetzte, wobei es eine große Zahl an Toten, darunter auch unter Soldaten und Polizisten, gab.

Hätte die Pekinger Führung vor 30 Jahren der Konterrevolution nachgegeben, wäre nach Meinung von Chinakennern aus unterschiedlichen Lagern der Sozialismus in Frage gestellt worden, was zu einem verheerenden Bürgerkrieg mit Millionen Toten geführt und die Welt in unvorhersehbarer Weise destabilisiert hätte. Mit der Verteidigung ihrer Unabhängigkeit und ihres eigenständigen Weges zu einer sozialistischen Gesellschaft hat die VR China gleichzeitig dieser brandgefährlichen Entwicklung auf internationaler Ebene Einhalt geboten.

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"Es drohte ein Bürgerkrieg", UZ vom 31. Mai 2019



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