Linke Kräfte diskutierten, wie man Proteste auf die Straße bringt

Es brodelt

Der Krieg in der Ukraine hat die Linke in Deutschland gespalten. Während der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow sich auf die Seite der NATO-Aggressoren geschlagen hat, sucht die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen nach Perspektiven für einen Friedenskampf, der auch soziale Missstände wie die gegenwärtige Preisexplosion bei Gas und Lebensmitteln einbezieht. Auf dem UZ-Pressefest am vergangenen Wochenende diskutierte sie mit dem DKP-Vorsitzenden Patrik Köbele und Angelika Teweleit von der „Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften“. An der Runde in dem überfüllten Debattenzelt nahmen auch der ehemalige Linkspartei-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Gehrcke und Nick Amoozegar, Mitglied von der Links­jugend-solid, teil.

Gehrcke, aktiv bei Frieden-links, stellte klar, dass Proteste wie die von den Herrschenden herbeigefürchteten Herbstdemonstrationen gegen die Gasumlage nicht immer von Beginn an links seien. Man müsse aber immer dabei sein. Konsens herrschte bei den Diskutanten darin, dass es jetzt wichtig sei, die anstehenden Proteste nicht den Rechtspopulisten zu überlassen, sondern um die Hegemonie linker Kräfte zu ringen. Dies klappe aber nur, wenn man dabei sei, um sie mit zu organisieren, bevor es andere tun, warf Köbele ein. Kern einer linken Bündnispolitik müsse es jetzt sein, den Friedenskampf mit dem Klassenkampf zu verbinden. Dagdelen fasste den Konsens zusammen, es brodele in der Gesellschaft, linke Kräfte müssten jetzt der Ansprechpartner der Massen sein. Dies gelinge nur, wenn man jetzt durch einen Minimalkonsens eine Bewegung schaffe.

Umso dramatischer sei es, dass die Partei „Die Linke“ nicht zu einer klaren und einheitlichen Position gegen die NATO und gegen Waffenlieferungen finde, kritisierte Teweleit. „Die Linke“ sei wie ein Bündnis, meinte hingegen Amoozegar. Die Grundsatzpapiere der Partei, die sich gegen die NATO positionieren, hätten Bestand. Manche Linkspartei-Politiker hielten sich nicht daran, seien aber nicht die Mehrheit, zur Zeit aber am lautesten.

Eine Kontroverse entwickelte sich um die Einschätzung Teweleits zu Russland, das sie als „imperialistisch“ bezeichnete, und China, das „kapitalistisch“ sei. Dafür bekam sie Applaus, erntete aber auch viel Widerspruch vom Podium und aus dem Publikum. Der Friedenskampf ist die wichtigste Aufgabe aller Linken, stellte Köbele fest. Dabei müsse klar sein, dass die NATO der Hauptaggressor sei. China und Russland seien systemische Gegner des westlichen Imperialismus. Dagdelen stimmte zu und verwies auf Karl Liebknechts Ausspruch: der Hauptfeind steht im eigenen Land. Wolfgang Gehrcke wandte sich direkt an Dagdelen und forderte im Geiste Liebknechts auf, mit dem Fraktionszwang zu brechen, sollten Mitglieder der Linkspartei-Fraktion im Bundestag weiter eine Pro-NATO-Haltung einnehmen.

Der „Linke“-Politiker Diether Dehm sprach sich, unterstützt von Harri Grünberg, in der Diskussion für ein Wahlbündnis zur Europawahl aus. Die an die DKP gerichtete Frage nach einer möglichen Beteiligung beantwortete Patrik Köbele damit, dass das von den Inhalten abhänge und davon, dass die beteiligten Kräfte auf Augenhöhe miteinander arbeiten müssten.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Es brodelt", UZ vom 2. September 2022



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Auto.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit