Israel greift neben Gaza auch die Westbank, den Libanon und Syrien weiter an

Erwünschter Flächenbrand

Waffenstillstand – der gilt nur für die anderen. Das scheint die Devise der rechten israelischen Regierung zu sein. Die Angriffe in Gaza, im Libanon, auf der Westbank und in Syrien nehmen kein Ende. In Gaza und auf der Westbank wird immer deutlicher: Das Ziel ist die Vertreibung der Palästinenser.

Am schlimmsten wütet das israelische Militär in Gaza. Noch immer sind hier die Menschen von jeglicher Versorgung abgeschnitten. Bäckereien mussten ihren Betrieb einstellen, Massaker mit Dutzenden Toten reihen sich aneinander, von denen nur noch wenige überhaupt Aufmerksamkeit erlangen. So die Angriffe auf 15 Sanitäter des Palästinensischen Roten Halbmonds und Ersthelfer Ende März. Sie waren in klar gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs und wurden vom israelischen Militär getötet.

Mittlerweile will das israelische Militär weite Teile des Gazastreifens als sogenannte Sicherheitszone annektieren. Immer größer wird der Druck auf die Bevölkerung, den Gazastreifen vorgeblich „freiwillig“ zu verlassen – oder in Angriffen und als Folge der Blockade zu sterben. Israel hat bereits die Lieferung von 20.000 Lkw-Ladungen verhindert.

„Freiwillig“ sollen Palästinenser auch nach Indonesien auswandern. Eine erste Gruppe von 100 Personen soll schon bereit sein. Tausende weitere sollen folgen, so will es die neu geschaffene israelische „Migrations-Behörde“.

Nahezu zwei Millionen Einwohner von Gaza wurden nach Angeben der UNRWA bereits mehrmals vertrieben. So erging es auch den Einwohnern auf der Westbank – 40.000 schon in den ersten Tagen der intensivierten israelischen Angriffe. Diese Angriffe konzentrieren sich vor allem auf den Norden der Westbank, wo es weniger israelische Siedlungen gibt. In den Kämpfen seit Oktober wurden dort 900 Palästinenser getötet. Amnesty International beklagt die „brutale Gewalt“. Auf der Westbank wurde der internationale Protesttag zur Unterstützung von Gaza am Montag mit einem Generalstreik begleitet.

Auch im Libanon gab es zahllose Verletzungen des Waffenstillstandsabkommens durch Israel – und keine internationale Reaktion.

Selbst in Syrien weitete die israelische Armee ihre Aktionen aus, tötete Zivilisten im Süden und flog Angriffe auf Militärstützpunkte bei Homs.

Steht also Benjamin Netanjahu vor einem Triumph, dem Sieg im – wie er selbst es nannte – zweiten Unabhängigkeitskrieg mit der Vertreibung der Palästinenser aus Gaza und womöglich der Westbank? Mit der uneingeschränkten Unterstützung durch US-Präsident Donald Trump erscheint es nicht unmöglich. Israelische Drohungen gehen sogar noch weiter. Die Türkei hat mit ihrer Unterstützung der Dschihadisten jahrelang den Krieg gegen Syrien geführt, will jetzt die Siegesrendite gewinnen und womöglich Militärstützpunkte in Syrien aufbauen.

Aber schon warnt Israels Verteidigungsminister Israel Katz. Der neue syrischen Präsident Ahmed al-Sharaa dürfe keine „feindlichen Kräfte“ nach Syrien einladen oder Syrien werde teuer dafür zahlen. Die Angriffe bei Homs gelten als direkte Warnung an die Türkei.

Selbst der Partner Ägypten gerät in den Fokus israelischer Drohungen. Angeblich habe Ägypten mehr Panzer auf dem Sinai stationiert als per Friedensvertrag zulässig. Doch Ägypten wird gewiss Israel nicht angreifen wollen. Es geht wohl beiden Seiten in diesem Streit um die mögliche Vertreibung der Palästinenser aus Gaza und ihre Kontrolle.

Die schwachen Glieder in der Kette von Erfolgen der USA und Israels bleiben die Krise der Reservisten in Israel, die in vielen Fällen Einberufungen umgehen, und der Jemen. Die Ansar Allah setzen ihre Angriffe auf Israel und die US-Marine fort, solange es keinen Waffenstillstand in Gaza gibt – trotz der Bomben der USA. Die USA zahlen viel dafür, dass Israel den Genozid dennoch fortsetzen kann. In den ersten drei Wochen des Bombardements allein war es eine Milliarde US-Dollar.

Bleibt der mögliche Krieg oder die Verhandlungen mit dem Iran. Genügt nicht ein Ultimatum und gegebenenfalls konzentrierte Angriffe, um den Iran – so wie es Syrien geschah – wie ein Kartenhaus zerfallen zu lassen? Das sind Überlegungen in Washington und Tel Aviv und das ist die vermutlich meistgestellte Frage in der Region und weit darüber hinaus.

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"Erwünschter Flächenbrand", UZ vom 11. April 2025



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