Defender 2020 ist die größte US-Übung in Europa seit über 25 Jahren. Dabei sollen 20.000 Soldaten aus den USA 4.000 Kilometer quer durch Europa bis an die russische Grenze verlegt werden. Insgesamt werden mindestens 37.000 Soldaten beteiligt sein, 4.000 davon aus Deutschland. Nach langen Vorbereitungen rollen seit Ende Februar 2020 die ersten „Verlegewellen“ des Großmanövers über deutsche Straßen. Die Übung ist aus einer ganzen Reihe von Gründen ein Affront, vor allem wegen des unerträglichen Säbelrasselns gegenüber Russland, mit dem weiter kräftig an der Eskalationsspirale gedreht wird.
Extrem ärgerlich ist aber auch die „Informationspolitik“ rund um das Manöver. Mit einer aufreizenden Beliebigkeit antwortet die Bundesregierung da auf eine Anfrage der Partei „Die Linke“, sie habe keine Ahnung, wie hoch die deutschen Beteiligungskosten seien, nur um in einer anderen Antwort dann mit – wohl deutlich zu niedrigen – 2,3 Millionen Euro herauszurücken. Besonders „schön“ waren auch die preisverdächtigen Wortverdrehungen, mit denen die Hessische Staatskanzlei wieder in einer Antwort auf eine Linken-Anfrage versuchte, um das Zugeständnis herumzukommen, dass es im Rahmen des Manövers zu Verkehrsbeeinträchtigungen kommen wird: „Bei einer effektiven Umsetzung der militärischen Mobilität im Rahmen der Übung DEF 20 kann eine Beeinträchtigung des zivilen Personen- und Güterverkehrs nicht ausgeschlossen werden.“
Mit das größte Problem der Gegenaktivitäten besteht aktuell aber darin, dass häufig wenig bis keine Informationen vorliegen, wann konkret sich die Militärkolonnen von den jeweiligen Orten aufmachen. Wie die „Deutsche Presseagentur“ jüngst berichtete, hat das durchaus Methode: „Die Amerikaner öffnen ein Zeitfenster. Aber wenn es um Details geht, hat die US-Army-Europe in Wiesbaden das Sagen. Die schweigt sich zu Details aus: ‚Aus Gründen der operativen Sicherheit geben wir keine spezifischen Zeiten oder Routen der US-Truppenbewegungen im Voraus bekannt.‘“ So gibt es meist nur einen extrem kurzen Vorlauf zwischen ersten Meldungen und dem Beginn der Konvois – beispielsweise berichtete der „Nordkurier“ am 25. Februar: „Die erste ‚Verlegewelle‘ soll vom 26. Februar bis 6. März dauern. ‚Auf den Autobahnen A 24, A 14 und A 20 werden ab dem frühen Abend beziehungsweise bis zum frühen Morgen Marschkolonnen unterwegs sein‘, teilte die Bundeswehr am Dienstag zum Verlegestart am Mittwoch mit.“
Dennoch ist die bisherige Dynamik ermutigend, die sich unter anderem anhand der zahlreichen Protestveranstaltungen zeigt, die bereits stattgefunden haben. Erfreulich ist auch, dass der DGB inzwischen eine Erklärung gegen das Manöver verabschiedet hat, in der es heißt: „Unter der Bezeichnung ‚Defender 2020‘ (erfolgt) eines der größten Manöver von Landstreitkräften in Europa seit Ende des Kalten Krieges. Mit dem Manöver soll einerseits erprobt werden, kampfstarke Großverbände aus den USA im Bedarfsfall in kürzester Zeit an die russische Grenze zu verlegen. Andererseits soll die militärische Überlegenheit der NATO demonstriert werden. Statt dieser Konfrontation sind aus Sicht der Gewerkschaften Entspannungspolitik und kooperative Beziehungen mit Russland das Gebot der Stunde.“
An bisherigen Aktionen fanden unter anderem bereits Proteste in Mannheim mit rund 150 Menschen und in Bremerhaven mit über 200 Friedensbewegten statt. Auch für die kommende Zeit sind eine Reihe von Protestaktionen geplant, nennenswert ist hier vor allem der für den 4. April terminierte bundesweite Aktionstag gegen „Defender 2020“, an dem es an vielen Orten zu Aktionen kommen soll. Sicher sind das noch nicht die Massen, die hier mobilisiert werden, aber angesichts der widrigen Rahmenbedingungen ist das alles doch ein guter Anfang. Denn das alles trägt zu einer Basis bei, auf der auch künftig aufgebaut werden kann, da das Manöver unter dem Namen „Defender Europe 20“ künftig jährlich und alle zwei Jahre in dieser Größenordnung stattfinden soll.
Der Autor ist Geschäftsführender Vorstand der Tübinger Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V.