Venezuela: Eigene Schwächen und Destabilisierungsversuche durch die USA

Erst Putsch, dann Invasion?

Von Modaira Rubio, Caracas

Seit sie 2015 auf demokratischem Weg die Mehrheit der Mandate in der Nationalversammlung erringen konnte, versucht Venezuelas Opposition, diese Machtposition für einen Staatsstreich gegen Präsident Nicolás Maduro auszunutzen. Bisheriger Höhepunkt dieser Bestrebungen war der 23. Januar, als sich Juan Guaidó von der ultrarechten Partei „Volkswille“ (Voluntad Popular, VP) zum „Übergangspräsidenten der Nation“ ernannte.

Für einen erfolgreichen Putsch braucht Guaidó jedoch, wie er selbst in einer Rede erklärte, die Unterstützung von „Millionen Venezolanern“ und die der Bolivarischen Streitkräfte. Bisher fehlt ihm beides, Rückhalt hat er in erster Linie im Weißen Haus. Seine Anerkennung als „Präsident Venezuelas“ durch die USA und andere rechte Regierungen des Kontinents sowie das entsprechende Ultimatum der EU an Maduro sind Guaidós stärkster Trumpf.

Die Trump-Regierung hat die Anerkennung Guaidós damit verbunden, die Bankkonten des venezolanischen Staates in den USA zu beschlagnahmen und ihrem Zögling zuzuweisen. Auf diese Weise ist das venezolanische Volk gezwungen, die gegen es gerichtete Aggression auch noch finanzieren zu müssen. Nach wie vor lehnen mehr als 80 Prozent der Venezolaner eine gewaltsame „Lösung“ und eine ausländische Militärintervention ab, wie eine Anfang Januar durchgeführte Umfrage des Instituts „Hinterlaces“ ergab.

Daran ändert auch die große Unzufriedenheit mit der Regierung nichts, die kein Mittel gegen die anhaltende Entwertung der Einkommen durch die Hyperinflation gefunden hat. Für die Mehrheit der Bevölkerung ist die wirtschaftliche Lage unerträglich. Die von den USA und der Europäischen Union verhängten Finanzsanktionen sowie falsche wirtschaftspolitische Entscheidungen der venezolanischen Regierung haben die Ökonomie in einen fast totalen Kollaps geführt. Zu den Fehlern gehört die wiederholte Entscheidung, die Inflation nicht systematisch zu bekämpfen, sondern die Symptome durch immer neue Lohnerhöhungen zu lindern.

Diese Schwäche nutzt der Imperialismus für einen „Krieg niedriger Intensität“ aus. Es werden gewaltsame Auseinandersetzungen provoziert, die bis Anfang dieser Woche schon mehr als 20 Menschenleben gefordert haben. Obwohl die Opposition die Sicherheitskräfte dafür verantwortlich macht, wurden die Kämpfe meist von paramilitärischen Gruppen oder kriminellen Banden provoziert. Auf diese Weise soll die innenpolitische Lage in Venezuela so sehr destabilisiert werden, dass sich eine Militärintervention mit dem „Schutz der Bevölkerung“ oder der „Sicherheit der Nachbarstaaten“ begründen lässt. Das Modell gleicht dem in Libyen praktizierten.

Der US-Imperialismus versucht um jeden Preis, seine Hegemonie in Lateinamerika wiederherzustellen und den Einfluss Russlands und Chinas in der Region zurückzudrängen. Ökonomisch geht es ihm vor allem um die Kontrolle über die Erdölreserven Venezuelas, die als die größten der Welt gelten, aber auch um die Restauration des neoliberalen Wirtschaftsmodells auf dem Kontinent. Dem entspricht die Ernennung von Elliot Abrams zum US-Sonderbeauftragten für die „Wiederherstellung der Demokratie in Venezuela“. Er gilt als Architekt der US-Invasion in Panama 1989 und er war der Mann hinter dem Putsch gegen Hugo Chávez 2002.

Aber widerstandslos gibt der Chavismus trotz seiner Schwäche nicht auf. Das Unterschätzen der Volksbewegung durch die Rechte kann deshalb auch zu überraschenden Ergebnissen führen – so wie 2002, als ein spontaner Volksaufstand den damaligen Putsch vereitelte und für die Rückkehr von Hugo Chávez in den Präsidentenpalast sorgte. Die drohende ausländische Intervention könnte auch diesmal dazu führen, dass sich die verschiedenen Flügel der bolivarischen Bewegung zusammenschließen und zum gegebenen Zeitpunkt eine einigermaßen organisierte revolutionäre Avantgarde bilden. Bislang kann die Volksbewegung dabei auf die Streitkräfte zählen, deren Unterstützung für Maduro und die verfassungsmäßige Regierung keine größeren Risse aufweist. Doch in dieser Phase des sich verschärfenden Klassenkampfes dringend notwendig ist die Konsolidierung einer großen antiimperialistischen Allianz innerhalb und außerhalb Venezuelas, die es ermöglicht, die Bevölkerung für den Widerstand zu organisieren und die bevorstehenden Turbulenzen durchzustehen. Denn auch wenn der Putsch besiegt werden kann, wird der Imperialismus keine Ruhe geben, bis er sein Ziel erreicht hat.

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"Erst Putsch, dann Invasion?", UZ vom 1. Februar 2019



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