Die Wunschliste aus Kiew wird vor der NATO-Geberkonferenz in Ramstein länger und länger

Erst Panzer, dann Kampfjets – dann Soldaten?

Die Kampagne von Medien und Politikern für die Lieferung von „Leopard”-Kampfpanzern an die Ukraine ging in den vergangenen Tagen munter weiter. Mit der Forderung Kiews nach „Tornado“-Kampfjets erreichte sie eine neue Stufe. Vizeaußenminister Andrij Melnyk twitterte am Sonntag auf Englisch: „Die Bundeswehr hat 93 Tornado-Mehrzweckkampfflugzeuge, die bald ausgemustert und durch F-35 ersetzt werden sollen. Das ist zwar ein altes Kampfflugzeug, aber immer noch sehr leistungsfähig. Warum sollte man diese Tornados nicht an die Ukraine liefern, Bundeskanzler?” Am selben Tag verlangte er mehr Flugabwehrraketen und verkündete: „Wir freuen uns auf das Treffen in Ramstein am 20. Januar.” Auf diese Waffenstellerkonferenz richtet sich die Hoffnung aller Unterstützer der Kriegspolitik Washingtons. Entsprechend äußerten sich am Montag und Dienstag zum Beispiel Wladimir Selenski, Polens Präsident Andrzej Duda und die Vorsitzende des Bundestagskriegsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP). Am Montag erklärte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg abschließend im „Handelsblatt”, in Ramstein müssten weitere Beschlüsse gefasst werden: „Die jüngsten Zusagen für schweres Kriegsgerät sind wichtig – und ich erwarte schon in naher Zukunft mehr.“

US-Kriegsminister Lloyd Austin hatte etwa 50 Staaten der sogenannten Ukraine-Kontaktgruppe auf die US-Luftwaffenbasis in Rheinland-Pfalz befohlen. Die deutsche Kriegsministerin Christine Lambrecht (SPD) lud sich am Montag durch Rücktritt rechtzeitig aus. Der Kriegsmedienmafia war sie seit Langem wegen Zögerlichkeit verdächtig. Sie wurde deswegen von „Bild” bis „FAZ” bekämpft, erleichterte das Dreckwerfen allerdings selbst durch peinliche Auftritte. Lambrecht wurde medial verprügelt, gemeint war jedoch der Bundeskanzler – das Interesse Washingtons an diesem Verfahren liegt auf der Hand. Lambrecht war als Vertreterin der angeblich souveränen Bundesrepublik in Ramstein schon bei der ersten Zusammenkunft im April 2022 lediglich Gast. Den Sitz am Katzentisch dort übernimmt nun ihr am Dienstag von Medien zuerst bestätigter Nachfolger Boris Pistorius (SPD), seit 2013 niedersächsischer Innenminister.

Er wird sich nach der vermutlichen Entscheidung für „Leopard”-Lieferungen an Kiew der Forderung des früheren Botschafters Melnyk nach deutschen Kampfjets stellen müssen. Melnyks Verlangen stieß bereits beim CDU-Kriegsexperten Roderich Kiesewetter auf Begeisterung. Er twitterte noch am Sonntag auf Englisch: „Wir sollten Tornado liefern! Alles, was der Ukraine zum Sieg verhelfen wird. Alles, was wir auch in der NATO verwenden würden. Auch damit werden wir nicht zu einer Kriegspartei.”

Als solche sieht sich wenigstens Bundesaußenministerin Annalena Baerbock. Sie setzte sich am Montag in einer Rede vor der Haager Akademie für Völkerrecht für die Bildung eines internationalen Sondertribunals zur Aburteilung der russischen Führung ein. Sie erfüllte damit einen Wunsch ihres Kiewer Amtskollegen Dmitri Kuleba, den die Sorge umtreibt, Russland könne als ständiges Mitglied des UN-Sicherheitsrates die Anrufung des Internationalen Strafgerichtshofes in Den Haag blockieren. Kiews, also Washingtons, Wunsch ist aber für Baerbock Befehl. Wörtlich erklärte sie: „Was wir uns vorstellen können, ist ein Gericht, das seine Jurisdiktion aus dem ukrainischen Strafrecht ableitet.“ Baerbock hat das Fell des russischen Bären schon zerteilt, bevor sie ihn hat. Sie ist Melnyk und Kiesewetter stets voraus.

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"Erst Panzer, dann Kampfjets – dann Soldaten?", UZ vom 20. Januar 2023



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