Erschöpfter Supermann

Hans-Peter Brenner Der unermüdliche Feind des Westens

Meinem „Psychologen-Auge“ ist nicht entgangen, dass hinter der Fassade eines scheinbar gut ausgeschlafenen Wladimir Putin ein völlig abgehetzter und am Rande seiner physischen Kräfte stehender Mensch steckt, der nur mit Müh und Not sein Votum am Wahlautomaten eingeben konnte.

Welche Strapazen und kräftezehrenden Aktionen hat der ja mittlerweile auch nicht mehr ganz so junge Mann hinter sich! Heimlich schleicht er in ein Hotel in Petersburg. Öffnet wahrscheinlich mitten in der Nacht den bereits verschlossenen Koffer der Tochter eines russischen Doppelagenten, Julija S., die ihren seit 2001 in England im bequemen Exil unbehelligt lebenden Vater besuchen will. Er „kontaminiert“ hastig und unter schwerem Atemschutzgerät deren Pullover – oder gar ihre Unterwäsche – mit dem „gefährlichsten Nervengift, das die Sowjets je produziert haben“ und muss dann noch dafür sorgen, dass beim russischen Zoll niemand auf den Gedanken kommt, bei der Ausreise den Koffer zu öffnen.

Solange das alles auf russischem Boden geschieht, klappt das natürlich alles wunderbar – Putin hat schließlich als „Diktator“ ja in allen Dingen das letzte Wort. Aber dann nach der Ankunft in London! Wie hat er das bloß hinbekommen, dass der britische Zoll den Koffer nicht versehentlich geöffnet hat und ringsum hunderte Menschen wie die Fliegen tot umfallen. Wahrscheinlichste Lösung: Er war inkognito an Ort und Stelle, verkleidet mit Sonnenbrille und Perücke als hochrangiger MI6-Officer, der sofort nach der Landung den Koffer von Julija S. „im Namen der britischen Krone“ zum „Top Secret“-Objekt erklären ließ und Julija am Zoll vorbei auf direktem Weg zu ihrem Vater nach Salisbury geleitete.

Russisch kann er ja und dann hat er eben Julija auf dem Weg zu ihrem Papa mit irgendwelchen Jagdgeschichten aus Sibirien abgelenkt – natürlich mit englischem Akzent –, den er ganz gewiss so gut beherrscht wie den Dialekt der Sachsen. Dann die beiden entweder unter irgendeinem Vorwand vor Julijas aufgeklappten Koffer lotsen oder noch schnell als Kellner verkleidet in die Pizzeria Zizzi einschleichen und den Tisch von Vater und Tochter Skripal kontaminieren. Dann aber zurück mit Affenzahn oder dem neuen „Tarnkappenbomber“ nach Moskau.

Dort den Staatsmann geben, der von Tuten und Blasen keine Ahnung hat. Und dann aber über 11 Zeitzonen ununterbrochen von einem Wahllokal zum anderen hetzen und dafür sorgen, dass ausreichende „Bündel von bereits ausgefüllten Stimmzetteln“ abgegeben werden. Wie konnte dem Perfektionisten dann ausgerechnet Im Wahllokal 1480 in Ljuberzy bei Moskau das Missgeschick geschehen, dass nicht rechtzeitig die dort installierten Videokameras für die paar Sekunden ausgeschaltet wurden, als eine Wahlhelferin dann das von ihm höchstpersönlich überreichte Päckchen in die Urne warf?

Er war einfach erschöpft oder vielleicht hatte er ja einige Spurenelemente von dem „Nervengift“ eingeatmet und war deshalb für einen Moment nicht Herr seiner Sinne. Das kann man ja verstehen. Ich habe Mitleid mit diesem gehetzten Supermann und glaube, der britische Außenminister Boris (der Name beweist bereits, dass er absoluter Experte ist) Johnson hat absolut Recht: „Höchstwahrscheinlich“ steckt Wladimir Putin persönlich hinter dem „schockierenden“ Giftgasangriff und er hat sich dabei selbst vergiftet. Sonst hätte diese Peinlichkeit in Ljuberzy nicht von den eigenen staatlichen Kameras aufgezeichnet werden können. Und dann hat die Wahlbehörde auch noch reagiert und die lokale Wahlkommission abgesetzt! Und er hat es nicht mehr verhindern können, weil er so angeschlagen war. Das kann nur die Folge des Giftmittels „Nowitschok“ gewesen sein. Putin braucht unbedingt eine Reha-Maßnahme in einer Spezialklinik des britischen Geheimdienstes.

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Kritischer Journalismus braucht allerdings Unterstützung, um dauerhaft existieren zu können. Daher freuen wir uns, wenn Sie sich für ein Abonnement der UZ (als gedruckte Wochenzeitung und/oder in digitaler Vollversion) entscheiden. Sie können die UZ vorher 6 Wochen lang kostenlos und unverbindlich testen.

✘ Leserbrief schreiben

An die UZ-Redaktion (leserbriefe (at) unsere-zeit.de)

"Erschöpfter Supermann", UZ vom 23. März 2018



    Bitte beweise, dass du kein Spambot bist und wähle das Symbol Schlüssel.



    UZ Probe-Abo [6 Wochen Gratis]
    Unsere Zeit