„Putins nukleares Säbelrasseln in Richtung Westen“, titelt der „Merkur“, und ähnlich die anderen Kartellmedien. Bilder von russischen Atomraketen zieren ihre Ausgaben. Die Botschaft ist klar: Der Kreml-Diktator hat den Ukraine-Konflikt aus heiterem Himmel um eine neue, atomare Stufe auf der Eskalationsleiter verschärft und droht uns allen nun mit totaler Vernichtung.
So weit die Propaganda. Worum geht es wirklich?
Hintergrund der nuklearstrategischen Überlegungen in Washington und Moskau ist natürlich die Situation auf dem Schlachtfeld. Hier sieht es für den Westen und sein ukrainisches Kanonenfutter, „Siegespläne“ hin oder her, nicht gut aus. Die sich abzeichnende Niederlage im Ukraine-Konflikt ist aber für den „Werte-Westen“ erklärtermaßen nicht zu akzeptieren. Eine substantielle Veränderung könnte für den „Westen“ nach Lage der Dinge nur durch den Einsatz nuklearer Mittel, sogenannter Mini-Nukes, erreichbar sein. Für Russland existiert dieses Motiv nicht. Diese Mini-Nukes wurden von den USA für niedrigschwelligen Einsatz entwickelt und befinden sich zum Teil schon auf U-Booten. Darauf hatte Präsident Putin in seiner Begründung zur Erweiterung der bislang restriktiven und defensiven russischen Nukleardoktrin hingewiesen.
Hinzu kommt, das Pentagon hat bei der Verbesserung der Zielpräzision seiner Atomraketen signifikante Fortschritte gemacht. Die USA sind nun offenbar in der Lage, hart verbunkerte russische Interkontinentalraketen (ICBMs) auszuschalten. Diese mit immensem Aufwand erreichte Fähigkeit bedeutet, dass die US-Nuklearstrategen ihrem seit 40 Jahren gehegten Traum einer effizienten Erstschlagfähigkeit einen gewaltigen Schritt näher gekommen sind. In diesem Kontext macht auch der Angriff auf die russischen Frühwarnsysteme im Mai 2024 Sinn. Erstschlagfähigkeit erfordert zwingend die Ausschaltung der russischen Raketenabwehr.
Die russische Führung hat nun unmissverständlich klargemacht: Attacken (mit weitreichenden Raketen oder Drohnen) auf russisches und belarussisches Gebiet kommen einer Kriegserklärung gleich. Versucht ihr es, werdet ihr, auch Nicht-Nuklearstaaten (in Europa), die mit Nuklearstaaten (USA) verbündet sind, zu Zielobjekten. Gegebenenfalls auch unserer Atomraketen.