Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg: Die Ausgangslage für den Landtagswahlkampf 2022 war schwierig. Dennoch konnte die DKP ihre Stimmenbasis stabilisieren. Erklärung von Marion Köster, Bezirksvorsitzende der DKP Ruhr-Westfalen, und Peter Lommes, Bezirksvorsitzender der DKP Rheinland-Westfalen.
Vieles war anders bei dieser Landtagswahl. Es war eine Landtagswahl, die unter den Vorzeichen des Ausbaus des deutschen Großmachtstrebens in der Auseinandersetzung um den Krieg in der Ukraine stattfand. Es war eine Landtagswahl, die so mancher als „Tag der Abrechnung“ mit der Corona-Politik der letzten zweieinhalb Jahre bezeichnete. Es war eine Landtagswahl, die als Bewährungsprobe für die im letzten Herbst gewählte Bundesregierung galt. Vor allem aber war sie an vielen Stellen eins: Ein weiteres Schauspiel der Herrschenden, in dem sie sich größte Mühe gaben (diverse Auftritte auf Mai-Kundgebungen inklusive), den „normalen Menschen“ zugänglich zu wirken. Auftritte über alle Parteigrenzen hinweg.
Ausgangslage für den Wahlkampf der DKP
Im vergangenen Herbst haben wir uns in einer Wahlversammlung der NRW-Bezirke dazu entschieden, zur Landtagswahl anzutreten. Von Beginn an war klar, dass es ein herausfordernder Wahlkampf für uns wird. Dennoch: Als wir auf der Wahlversammlung die Themen Frieden und soziale Sicherheit in den Fokus des Wahlkampfes stellten, haben wir uns nicht ausgemalt, wie sehr wir mit diesen Themen recht behalten sollten. Die Frage „Hungern oder Frieren“ erschien einigen anfangs noch polemisch und überspitzt. Mittlerweile ist sie für viele Haushalte bange Realität. Die immensen Preissteigerungen nahmen eh schon Fahrt auf – und dann griff Russland in den Ukraine-Krieg ein. Unter schwersten Bedingungen (Einschränkungen durch Corona etc.) mussten wir unser Bestes geben, uns als Partei zu orientieren, aber auch mit den Teilen der Friedensbewegung wieder ins Gespräch zu kommen, die ins Horn der NATO-Propaganda bliesen.
Die so häufig beschworene „Verbindung von Kämpfen und Aktivitäten“ im Wahlkampf entstand dieses Mal ganz automatisch. Wir waren diejenigen, die das Thema Energiepreis-Stopp und sonstige Lebenshaltungskosten in den Fokus genommen haben. Wir waren diejenigen – und damit in der absoluten Minderheit der sonstigen Parteien – die an dem Credo „Noch mehr Bomben, noch mehr Waffen werden keinen Frieden schaffen“ auch in ihrem Wahlkampf festgehalten haben. Wenn wir auch deshalb nicht plötzlich im Landtag landen werden: Wir wurden wahrgenommen und haben viele ausführliche Diskussionen geführt.
Erste politische Einschätzung der Wahlergebnisse
Eine Wahlbeteiligung, die nur knapp über 50 Prozent liegt, ist sicher nicht mit dem guten Wetter und dem Blick vieler Menschen auf die Bundespolitik zu erklären. Sie ist ein deutliches Zeichen dafür, dass sich die Menschen in dieser Form der Demokratie nicht vertreten sehen und nicht erwarten, dass die gewählten Politikerinnen und Politiker in ihrem Sinne regieren.
Sympathisch, dynamisch, nah am Menschen – so hat die NRW-SPD versucht, sich im Wahlkampf zu präsentieren. Doch sie hat gegenüber der letzten Wahl weiter verloren. Nun stehen ihre Chancen schlecht, dass Herr Kutschaty in den Regierungssitz einziehen darf.
Trotz der Corona-Politik, Maskenaffäre und anderer Skandale, trotz massivem Demokratieabbau und Verschärfung des reaktionären Staatsumbaus verzeichnet die CDU erhebliche Zugewinne und sieht sich als Gewinner der Wahl. Sie präsentierte sich als „Bewahrer in Krisenzeiten“ und konnte damit bei den Wählerinnen und Wählern punkten. Dass sie lediglich die Interessen der Reichen bewahrt und versucht, die Profite krisensicher zu machen, wurde von den meisten Wählerinnen und Wählern nicht erkannt.
Trotz hemdsärmeligem, dynamischem Anpacker-Wahlkampf der FDP scheint ihr Höhenflug der Bundestagswahl vorbei zu sein. Gerade in NRW saß der Ärger über die verfehlte Politik im Bildungsbereich und in den Kitas (beides FDP-Ministerien) sowie die Enttäuschung über die aktuelle Ungleichbehandlung von „guten“ und „schlechten“ Geflüchteten tief.
Auch die – bei der Bundestagswahl viel beschworenen – Jungwählerinnen und Jungwähler liefen der FDP davon, da sie in den letzten fünf Jahre gemerkt haben, wie wenig sie von Frau Gebauer im Bildungsministerium zu erwarten haben.
Der Versuch der Grünen, sich als frisch, jung und verändernd zu präsentieren, ist bei den Wählerinnen und Wählern wohl angekommen. Das Umweltthema bewegt viele, und hier konnten sich die Grünen offensichtlich als der Sachwalter darstellen. Dabei trat ihre bellizistische Grundhaltung in den Hintergrund. Im Gegensatz zur FDP profitieren die Grünen noch von ihrem Booster durch den Erfolg bei der Bundestagswahl.
Sie haben sich endgültig von eine Friedens- und Umweltpartei in eine Partei der „bürgerlichen Mitte“ gewandelt, in der das junge Bürgertum sich wiederfindet und seine Interessen gesichert sieht, inklusive der Waffenlieferungen und dem Eintreten für ein starkes Europa, in dem Deutschland federführend ist.
Auch wenn wir die Entwicklung, die die Partei „Die Linke“ nimmt, bedauern, gilt es festzustellen, dass sie sich weiter diskreditiert. Nachdem sie ja bereits im letzten Landtag nicht vertreten war, hat sie bei dieser Wahl ihren Stimmenanteil noch einmal halbiert. Da hat auch kaum geholfen, dass sich die PdL gerade in NRW nach wie vor als die Partei präsentiert, die wenigstens noch ansatzweise die Interessen der „kleinen Leute“ vertritt. Angesichts der Entwicklung der Gesamtpartei glauben die Wähler es ihr nicht mehr und sehen sie als eine Partei wie alle anderen.
Die AfD hat zwar Verluste zu verzeichnen, ist aber immer noch im Landtag vertreten. Offensichtlich brauchen die Herrschenden zur Zeit diese Scharnierpartei zur extremen Rechten nicht mehr so dringend, da sie ihre Interessen sicher bei SPD, Grünen und CDU aufgehoben glauben, die in der momentanen Situation scheinbar ihre Integrationskraft zurückgewonnen haben.
Dass die DKP keine wahlpolitischen Bäume ausreißen wird, war von Beginn an klar. Trotzdem stellen wir erfreut fest, dass sich bei einem Zuwachst landesweit von etwa 7,5 Prozent im Vergleich zur letzten Landtagswahl unsere Stimmenbasis stabilisiert hat, auch wenn das absolute Stimmenergebnis unbefriedigend bleibt. Die Ergebnisse in den einzelnen Wahlkreisen spiegeln diese Entwicklung sehr unterschiedlich wieder und zumindest ein erster Überblick bestätigt, dass die Kreise und Gruppen, die einen aktiven Wahlkampf auf der Straße geführt haben, überproportional zu dieser Entwicklung beigetragen haben.
Schlussfolgerungen
- Zu erwarten ist jetzt eine CDU-Grüne-Landesregierung, was bedeutet, dass es nicht nur keine Verbesserung für die der Arbeiterklasse geben wird, sondern im Gegenteil eine verstärkte Abwälzung der Krisenlasten auf die Klasse. Die Orientierung auf eine Verschärfung des reaktionären Staatsumbaus wird sich verstärken. Es steht zu befürchten, dass NRW zu einem hochgerüsteten vorrangigen NATO-Stützpunkt ausgebaut wird, von dem aus vor allem der NATO-Cyberkrieg koordiniert wird.
- Trotz aller Anfeindungen hat der Wahlkampf gezeigt, dass wir mit einigen unseren Forderungen (z.B. Stopp von Waffenlieferungen) und unserer Konzentration auf soziale Fragen (Energiepreis-Stopp) ein Alleinstellungsmerkmal haben, dass bei einigen Teilen der Bevölkerung wertgeschätzt wird. Es gilt also, die Präsenz im öffentlichen Raum aufrechtzuerhalten beziehungsweise auszubauen.
- Dies gilt auch für die aktuellen Tarifauseinandersetzungen, die wir aktiv unterstützen, vor allem die Kolleginnen und Kollegen an den Unikliniken, die für Entlastung streiken und die Kolleginnen und Kollegen im Sozial- und Erziehungsdienst. Die weiteren anstehenden Tarifauseinandersetzungen (Stahl und M+E) werden vor dem Hintergrund der aktuellen Inflation eine neue Dynamik bekommen, die wir begleiten werden.
- All dies verbinden wir am besten mit der Werbung für unser (wenn auch anders gestaltetes) Pressefest, denn ein Fest für den Frieden braucht es in diesen Zeiten mehr denn je.
- Wir werden diese Aufgaben nutzen, um mehr zu werden, denn eines hat diese Landtagswahl deutlich gezeigt: Die Unzufriedenheit vieler Menschen mit den „Lösungen“, wie sie die Herrschenden anbieten, wächst. Noch schlägt sie wieder in Wahlverdrossenheit um. Dass sie sich in Widerstand verwandelt, ist Aufgabe einer starken, gut aufgestellten kommunistischen Partei.