Der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD) hat vor wenigen Tagen den neuen „Verfassungsschutzbericht“ über sogenannte extremistische Aktivitäten im Jahr 2018 veröffentlicht. Berlin übe nach wie vor eine besondere Anziehungskraft auf Extremisten aller Bereiche aus. Sie versuchten „mit der Symbolkraft der deutschen Hauptstadt eine möglichst große Öffentlichkeit für ihre Aktionen herzustellen“. Zugleich diene die Stadt „auch als Experimentierfeld für neue Themen und Strategien“, behauptete der Innensenator bei der Vorstellung des Berichts. Es sei daher „die zentrale Aufgabe des Berliner Verfassungsschutzes, auf diese Bestrebungen aufmerksam zu machen“. Damit helfe er, „den Bedrohungen für unser demokratisches Zusammenleben wirksam entgegenzutreten“.
Ernsthaft gerecht wird das Landesamt für Verfassungsschutz der vom Innensenator skizzierten Aufgabe keineswegs. Wirklich neue Informationen sind in dem Bericht nicht enthalten. Im Bereich „Rechtsextremismus“ haben die Geheimdienstler vor allem die traditionellen neofaschistischen Parteien „Der III. Weg“, „Die Rechte“ und die NPD im Visier. Zunehmend ernster werden zudem die sogenannten „Reichsbürger“ genommen. Diese verbuchten erneut einen personellen Zuwachs. Ende 2018 waren in Berlin 670 (2017: 500) sogenannte „Reichsbürger“ aktiv, so Geisel.
Insgesamt bleibe das rechtsextremistische Spektrum mit einem Gesamt-Personenpotenzial mit ca. 1410 (2017: 1430) weitgehend unverändert. „Jenseits neonazistischer Strukturen hat sich – aus den Anhängern der „Merkel muss weg“-Demonstrationen und den Gruppierungen „Wir für Deutschland“ bzw. „BÄRGIDA“ – ein dezidiert muslim- und fremdenfeindliches Netzwerk etabliert“, stellte der Innensenator fest. Besagtes Netzwerk sei zugleich „mitverantwortlich für eine Verrohung des öffentlichen Diskurses“. Dies habe auch zu einer verstärkten Rezeption und Akzeptanz rechtsextremistischer Positionen außerhalb der Szene geführt.
Wirklich Neues findet sich ansonsten in dem Bericht wie üblich nicht. Weder DKP noch SDAJ sind in dem Machwerk der Schlapphüte erwähnt. Dafür jedoch die „Revolutionäre 1.-Mai-Demonstration“, die Kurdistan-Solidarität, die Hausbesetzer aus der Rigaer Straße 94 sowie der maoistische „Jugendwiderstand“.
„Im linksextremistischen Spek-trum ist das Personenpotenzial 2018 um knapp 200 auf insgesamt 3140 Personen (2017: 2950) angewachsen“, so die Behörden. Wie in den Vorjahren sei „dieser Anstieg zum Großteil auf den Mitgliederzuwachs im Bereich der ‚Roten Hilfe‘“ zurückzuführen. „Das Personenpotenzial gewaltbereiter Linksextremisten stagniert demgegenüber beziehungsweise ist mit 970 Personen sogar minimal rückläufig“, konstatieren die Überwachungsbehörden weiter.
Zu den Verstrickungen der Geheimdienste und Polizeibehörden in neofaschistische Gewalttaten und Terrornetzwerke sucht man in dem Bericht erneut vergebens. Auch die Beteiligung der Behörden am Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt 2016 wird erwartungsgemäß nicht thematisiert.
Dahingegen hatte der Innensenator wenige Tage zuvor verlauten lassen, dass er an seinem Plan festhält, mit der „Muslimbruderschaft“ zu kooperieren. Er möchte mit Hilfe der Salafisten, „die noch härteren Salafisten deradikalisieren“. In Berlin werden etwa 600 Personen der Muslimbruderschaft zugeschrieben.
Auf der Pressekonferenz sagte Geisel, mit Blick auf die Gefahr durch Islamisten wolle er bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen versuchen, mehr Personalstellen für den Verfassungsschutz durchzusetzen. Bisher arbeitet der Geheimdienst in Berlin mit etwa 250 Bediensteten und gibt knapp 16 Millionen Euro im Jahr aus.