Bombenanschlag wird vor dem BGH neu aufgerollt

„Erhebliche Zweifel“

Von Markus Bernhardt

Die Chancen, dass der Bombenanschlag auf den S-Bahnhof Düsseldorf am 27. Juli 2000 tatsächlich noch aufgeklärt wird, stehen nicht gut. Am 31. Juli wurde der angeklagte Neonazi Ralf S. freigesprochen (UZ berichtete). Damals wurden zehn Menschen teils schwer verletzt, eine Frau verlor ihr ungeborenes Kind.

Das Landgericht Düsseldorf habe „erhebliche Zweifel an der Täterschaft des Angeklagten“, begründete der Vorsitzende Richter Rainer Drees seinen Urteilsspruch. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor eine lebenslange Haftstrafe für den extremen Rechten gefordert und kündigte noch am Tag der Urteilsverkündung an, Revision gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einzulegen.

Auch bei Antifaschisten sorgte der Urteilsspruch für Unverständnis. „Besonders kritikwürdig finden wir, dass im Prozess deutlich wurde, dass der Täter auch aufgrund gravierender Ermittlungsfehler der zuständigen Behörden kurz nach dem Anschlag nicht ermittelt werden konnte“, kritisierte Johannes Gleitz von der Opferberatung Rheinland

Zur Erinnerung: Bereits einen Tag nach dem Anschlag hatte der damals noch existente Koordinierungskreis antifaschistischer Gruppen (Antifa Kok) in einer Pressemitteilung auf eine mögliche Täterschaft von Ralf S., der in Tatortnähe ein „Survival Security & Outdoor“-Geschäft betrieb, aufmerksam gemacht. S. soll sich zudem gegenüber einem Mitgefangenem zu dem Anschlag bekannt haben, als er 2014 in Castrop-Rauxel eine Ersatzfreiheitsstrafe absaß. Das Gericht schenkte der Aussage seines damaligen Mitgefangenen jedoch keinen Glauben.

Kai Rudolph, Sprecher der antifaschistischen Gruppen in Düsseldorf, warf den Ermittlungsbehörden vor, „nach dem Anschlag in entscheidenden Punkten versagt“ zu haben. „Es kann nur als Beschönigung und zugleich unkluge Lüge bezeichnet werden, wenn polizeilicherseits seit der Festnahme von S. 2017 behauptet wird, dass man diesen die gesamte Zeit über – also von Ende Juli 2000 bis heute – für den Täter gehalten habe, es aber leider an den nötigen Beweisen gefehlt hätte. Wäre dem tatsächlich so gewesen, hätte man ihn dann über zwölf Jahre lang aus den Augen gelassen und damit die Chance zur Tataufklärung ungenutzt gelassen?“

Inge Höger, Landessprecherin der NRW-Linkspartei, sagt: „Unklar ist in diesem Zusammenhang auch immer noch die Rolle der Polizei und vor allem die des hiesigen Landesamtes für Verfassungsschutz. Bis heute ist nicht bekannt, welche genauen Erkenntnisse der Inlandsgeheimdienst bezüglich der von Neonazis begangenen Morde, Anschläge und Gewalttaten hatte. Ebenfalls ist unbekannt, ob und wenn ja in welchem Ausmaß V-Leute an den Straftaten oder deren Organisation beteiligt waren“.

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"„Erhebliche Zweifel“", UZ vom 10. August 2018



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