Nach monatelangen Verhandlungen und einem Erzwingungsstreik über sechs Wochen erreichten die Beschäftigten der Berliner Vivantes-Tochterfirmen endlich einen Tarifabschluss. Als letzte Betriebe in der Berliner Krankenhausbewegung, nach den Pflegebereichen von Charité und Vivantes, erreichten sie mit der erkämpften Angleichung an den Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVöD) ihr Kampagnenziel. 68 Teamdelegierte stimmten dem Eckpunkte-Papier, das unter Vermittlung des Politikers Matthias Platzeck (SPD) zustande gekommen war, nach intensiver Diskussion mit großer Mehrheit zu.
Seit dem Frühjahr gab es viele ergebnislose Verhandlungsrunden mit der Geschäftsführung. Immer wieder versuchte diese, die berechtigten Forderungen nach Angleichung der Löhne in Richtung TVöD mit dem Argument der untragbaren Kosten vom Tisch zu wischen. Doch für die Beschäftigten in den unterschiedlichsten Bereichen war vor allem die bisherige Entlohnung untragbar. Oftmals mehrere hundert Euro monatlich unter TVöD, lag die Entlohnung bisher in Servicebereichen in einem Bereich, der selbst bei Vollzeitarbeit nicht existenzsichernd war. Daneben gab es wenige Beschäftigte, die für die gleiche Arbeit und Qualifikation wesentlich mehr verdienten. Damit soll jetzt Schluss sein.
In den Eckpunkten ist die stufenweise jährliche Anhebung der Gehälter bis 2025 geregelt. Einmalig gibt es für alle eine Corona-Prämie in Höhe von 1.500 Euro. Für alle, die unter dem Landesmindestlohn liegen, gibt es eine einmalige Ausgleichszahlung. Rückwirkend ab Juli 2021 gibt es für alle 2,5 Prozent mehr. In jeder der fünf berücksichtigten Tochterfirmen wird das TVöD-Niveau nicht ganz erreicht. So erreichen Vivantes Service Gesellschaft (VSG) und Reha 2025 96 Prozent, aber bei Speiseversorgung und -logistik GmbH (SVL), Vivaclean und den Medizinische Versorgungszentren (MVZ) sind es nur 91 Prozent. Die Entgelte werden dynamisch an den TVöD angelehnt, das heißt, die eintretenden Veränderungen beim TVöD wirken sich durch Anpassung aus. Übernommen wird auch der TVöD-Manteltarifvertrag, in dem Urlaub, Arbeitszeit, Zuschüsse und anteilige Jahressonderzahlung geregelt sind, wenn auch mit Ausnahmen. Nicht dabei ist die gemeinsame Tochterfirma von Charité und Vivantes, Labor Berlin. Auch für die 450 Beschäftigten dieses Betriebes stand die Forderung nach einer Lohnangleichung. Sie traten im September in den Warnstreik.
Die Vivantes-Tochterfirmen wurden nach dem Zusammenschluss der kommunalen Kliniken Berlins zum Vivantes-Konzern 2001 nach und nach als hundertprozentige Tochtergesellschaften ausgegründet – natürlich mit dem Ziel, Kosten zu sparen, insbesondere Lohnkosten. Sie umfassen vielfältige Dienstleistungen, ohne die kein Krankenhaus funktioniert: Reinigung, Service, Transport und vieles mehr. Es hat sicher auch eine Rolle gespielt, dass die sogenannten Arbeiterbereiche in den sonst eher schlecht organisierten Klinikbelegschaften die kampfstärksten Bereiche in Arbeitskämpfen waren. Nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ versuchte die Vivantes-Geschäftsführung, die Belegschaften neben der organisatorischen Zersplitterung auch hinsichtlich ihrer Interessenlagen gegeneinander auszuspielen. Diese Strategie ging nicht auf.
Das Ergebnis ist trotz einiger Abstriche ein großer Erfolg. Zum einen wurde das große Ziel einer Angleichung an den TVöD nahezu erreicht, nicht nur im Entgeltbereich, sondern auch mit den Regelungen aus dem Manteltarif. Zum anderen wurde gezeigt, wie unter heutigen Bedingungen, trotz Zersplitterung in Teilbetrieben, erfolgreich gekämpft werden kann.
Die Beschäftigten der Vivantes-Tochterfirmen knüpften an die Kämpfe und Erfolge in der Charité-Tochterfirma CFM (Charité Facility Management) an. Dort gab es eine jahrelange Auseinandersetzung um Lohnangleichung und Rückeingliederung in die Charité. Im Februar dieses Jahres vermittelte ebenfalls Platzeck in den Verhandlungen. Nach dem erfolgreichen Abschluss dort begann der Auftakt für die Kampagne der Berliner Krankenhausbewegung für Entlastungstarifverträge und „TVöD für alle“. Der Arbeitskampf bei den Vivantes-Töchtern zog sich über Monate hin. Immer wieder gab es Warnstreiks und schließlich den langen Erzwingungsstreik. Damit erwiesen sich die gar nicht so zahlreichen Beschäftigten dieser Bereiche als Motor der Bewegung. Auch hier wurde, wie in den Pflegebereichen, nach den Prinzipien des Organizing, unter anderem mit dem System der Teamdelegierten gearbeitet. Da in diesen Betrieben kein umfassender Vertrauensleutekörper vorhanden war, mussten die Aktiven neue Wege gehen. Die hauptamtlichen ver.di-Sekretäre in Berlin unterstützen die Kämpfe engagiert und umfassend. Auch das lässt für zukünftige Arbeitskämpfe bei anderen Klinikträgern hoffen.
Die Tariflandschaft bei den frei-gemeinnützigen und bei den privaten Betreibern von Kliniken ist in Berlin und bundesweit sehr unterschiedlich. Die Themen der Vivantes-Beschäftigten sind auch die Themen in anderen Krankenhäusern. Gleiche und angemessene Bezahlung einerseits und wirksame Entlastungsregelungen andererseits werden die bestimmenden Themen in den kommenden Arbeitskämpfen sein.