In Braunschweig werden alle 70 Befristeten übernommen

Erfolg bei VW

Von Ulrike Schmitz

In den vergangenen Jahren konnten IG Metall und Betriebsrat für mehr als 700 in Zeitarbeit-Beschäftigte in Braunschweig die Übernahme bei VW durchsetzen. Im letzten Jahr ist das nicht mehr gelungen. Nun stand die Übernahme der letzten 70 Befristeten an: Kolleginnen und Kollegen, die seit fünf Jahren bei VW gute Arbeit leisten, zunächst als Leiharbeitsbeschäftigte, dann als Befristete. Angesichts der momentanen Unterauslastung des Werkes und Verleihungen von Stammbeschäftigten in andere Standorte ein anscheinend aussichtsloses Unterfangen.

Die Betroffenen nahmen den Kampf trotzdem auf. Die Unterstützung des Betriebsrates und der Stammbeschäftigten hatten sie. Doch die Übernahme war nicht in Braunschweig zu entscheiden, der Vorstand in Wolfsburg weigerte sich. Auf der Betriebsversammlung im Juni gab es einen tollen Auftritt der Befristeten. „Steht auf, wenn ihr die Kolleginnen und Kollegen unterstützen wollt“, rief ein unbefristet Beschäftigter die Versammlung auf – und die Versammlung von mehreren tausend Beschäftigten stand.

Auf der Betriebsversammlung am 19. September sollte der anwesende Personalvorstand Gunnar Kilian gleich zu Anfang Farbe bekennen, so die Forderung des Betriebsratsvorsitzenden Uwe Fritsch.

Das Ergebnis, am späten Abend des Vortages erzielt, hieß: Übernahme aller 70, allerdings 35 davon am Standort Wolfsburg. Der Jubel kannte keine Grenzen, bei einigen der Befristeten flossen Tränen.

Alles gut also, Sieg auf der ganzen Linie? Für die Befristeten und ihre Angehörigen, zirka 200 Menschen, sicher. In der Aussprache gab es auch Kritik. Das Ergebnis entstand auf dem Verhandlungsweg, ist ein Kompromiss. Der Vorstand war nur unter der Bedingung zur Übernahme bereit, dass das Werk Braunschweig die Kosten kompensiert. Also wurde ein Paket geschnürt, das neben den Übernahmen noch ein zusätzliches Invest über den Zukunftspakt hinaus zur Absicherung von mehreren Hundert Beschäftigten beinhaltet. Dafür wurden unter anderem sechs Schließtage, die nur zu 50 Prozent bezahlt werden, und Maßnahmen vereinbart, die die Rendite über 5 Prozent heben sollen. Für die Beschäftigten kann das weitere Belastungen bedeuten, ein weiterer Personalabbau über Altersteilzeit ist zu erwarten.

Erpressung wurde das von einem Beschäftigten genannt. Ja, so ist das im Kapitalismus. Der Konzernvorstand, der einem Werk, das bei den Fabrikkosten Miese schreibt und nicht ausgelastet ist, aus lauter Menschenfreundlichkeit mal eben so 70 Menschen einstellt, muss erst noch gefunden werden. Gut, wenn in Diskussionsbeiträgen auf der Betriebsversammlung der Finger in die Wunde gelegt wird und die Folgen für die Beschäftigten aufgezeigt werden. Der Betriebsrat allerdings, gewählt zur Sicherung der Arbeitsplätze, kann es dabei nicht belassen. Entweder Zustimmung zu dem verhandelten Kompromiss oder die 70 Befristeten sind im Oktober arbeitslos. Der Betriebsrat hat zugunsten der Übernahme der Befristeten entschieden.

Rosa Luxemburg sagte einst, es sei eine revolutionäre Tat, laut das zu sagen, was ist. Das gilt auch für den Betriebsrat: das Kräfteverhältnis aufzeigen, den Preis benennen und die Zustimmung begründen. Das wurde gemacht. Der Beifall signalisierte, dass die übergroße Mehrheit einverstanden war.

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"Erfolg bei VW", UZ vom 2. November 2018



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