Wie Antideutsche die Entwicklung in der Türkei für ihre Hetze gegen den Islam benutzen

Erdogan als Vorwand

Von Anna Ferri

Das Studierendenhaus der Frankfurter Goethe-Universität ist brechend voll. Über 150 Leute sind am 10. November zu der Veranstaltung „Erdogans Türkei. Ein Führer und sein Volk“ in das studentisch verwaltete Kommunikationszentrum (KoZ) gekommen. An der Tür durchsucht ein Sicherheitsdienst die Besucher. Als Referent wurde Justus Wertmüller eingeladen, Redakteur und Vordenker der antideutschen Zeitschrift „Bahamas“, die sich selbst „ideologiekritisch“ nennt. Die Veranstaltung mit ihm markiert den Höhepunkt der Veranstaltungsreihe „Feindanalysen. Zur Kritik der islamistischen Gewalt“. Organisiert hat sie die neue „antideutsche“ Unigruppe „Thunder in Paradise“, benannt nach einer US-Serie aus den 90ern, in der eine Spezialeinheit der US-Army Jagd auf Terroristen macht.

Vor einem Publikum, das von linker Szenerie bis hin zum Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft reicht, referiert Wertmüller über die Lage in der Türkei nach dem Putschversuch. Er zeichnet das Bild einer faschistischen Türkei, die ihn an das „Dritte Reich“ erinnere, an dessen Spitze der „Führer“ Erdogan stehe. Der faschistische Charakter der Diktatur des „Volkstribun“ Erdogan sei die Verwirklichung des kollektiven, zum Ausdruck gebrachten Willens des fanatisierten Volkes. Er verkörpere die „Verschmelzung von Kemalismus und Islamismus“.

Überall in der Türkei würden jetzt bewaffnete Zellen vom Staat gegründet, ansässig in den über 40 000 Moscheen. Damit habe Erdogan bewiesen, dass Moscheen noch zu etwas anderem gut sind „als zur Ruhestörung“. Von dort aus werden Massaker an den Andersdenkenden, den Verrätern vorbereitet. Nun brechen dunkle Zeiten für alle Juden und Christen an. Seien sie schon bisher massiver Verfolgung in der Türkei ausgesetzt, können sie jetzt damit rechnen, dass ihnen gleich der Kopf abgeschnitten werde. Wer als Frau auf der Straße ohne Verschleierung herumlaufe, riskiere direkt umgebracht zu werden. Diesem Schreckensbild der Türkei gegenüber stehe der demokratische freie und christlich geprägte Westen. Aber auch in Deutschland breite sich die Scharia aus: „Denkt nicht, dass ihr dann noch hier mit eurem Bier alternativ in Ruhe sitzen könnt“, warnt Wertmüller das Publikum.

Für Wertmüller ist klar, dass die Ursache des Übels der Islam ist: „Ja, der Islam muss bekämpft werden, in diesem Sinne bin ich Islamfeind und es muss mehr Islamfeindlichkeit geben!“ Applaus im Saal.Welche Maßnahmen schlage Wertmüller gegen die Gefahr des Islamismus denn nun vor, fragt jemand aus dem Publikum. Nun, so einfach sei es nicht, schließlich produzierten „diese verkommenen Familien“ (gemeint sind Muslime) ständig neue „Kopftuchfrauen“. Ein allgemeines Kopftuchverbot sei ein notwendiger Schritt. Vorerst müsse man zumindest für ein Verbot des Kopftuches in allen öffentlichen Institutionen und Schulen eintreten.

Während des gesamten Vortrages gibt es keine Widerrede. Nur eine junge Frau aus der Türkei interveniert. Warum rede Wertmüller nicht über die rechte Gewalt und Hetze in Deutschland gegen Muslime und Flüchtlinge? Darüber, dass wenn man als Türkin spricht, sich erst einmal von Erdogan und als Muslim vom Islamischen Staat distanzieren müsse? Wertmüller unterbricht sie rigide, ob sie selbst Muslimin sei? Als die Frau bejaht, verliert sie jedes Rederecht, mit ihr als „Halbfaschistin“ bräuchte man nicht weiter zu reden. Die Frage, ob er einen Sieg der Militärs beim Putschversuch Mitte Juli begrüßt hätte, bejaht er ohne Umschweife.

Die Hetze gegen Muslime zieht sich als roter Faden durch die gesamte Veranstaltungsreihe. Die ASten der Uni und der Fachhochschule finanzieren die Veranstaltungen und holen die neue Rechte, die sich als links präsentiert, an die Uni. Der AStA der Universität wird seit Jahren gestellt von einem „linken Bündnis“, das von den Grünen bis hin zu linksradikalen Zusammenhängen reicht.

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"Erdogan als Vorwand", UZ vom 25. November 2016



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