Am Donnerstag vergangener Woche ordnete das russische Verteidigungsministerium das Ende der Manöver in der Nähe der ukrainischen Grenze und auf der Krim an. Am selben Tag nahm Präsident Wladimir Putin am Online-Klimagipfel teil, der auf Einladung von US-Präsident Joseph Biden stattfand, erklärte sich bereit, mit seinem ukrainischen Amtskollegen Wladimir Selenski zu sprechen und ließ in seiner jährlichen Rede vor der Föderalen Versammlung Russlands das Interesse seiner Regierung erkennen, Rüstungskontrollverträge abzuschließen.
Die Entspannungssignale aus Moskau versetzten deutsche Großmedien in Schockstarre – sie berichteten fast nicht darüber –, die NATO nahm rhetorische Rückzüge vor. In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ warnte ausgerechnet Außenminister Heiko Maas (SPD) plötzlich vor „Konfrontationsgeschrei“ gegenüber Russland und behauptete, er sei froh darüber, dass Moskau das Gesprächsangebot von US-Präsident Biden angenommen habe und sich beide Seiten offenbar bereits über einen Zeit- und Treffpunkt für ein US-russisches Gipfeltreffen austauschten. Maas wörtlich: „Letztlich kann doch keiner ein Interesse daran haben, dass aus permanenten Provokationen und Konfrontationen ernsthafte Auseinandersetzungen werden, schon gar nicht wir in Europa.“
Unberührt von solchen Details äußerte sich die Kanzlerkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Die mögliche deutsche Oberkommandierende erklärte, es sei jetzt „das Wichtigste, den Druck auf Russland zu erhöhen“. Der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 müsse die „politische Unterstützung entzogen“ werden.
Ähnlich unverdrossen spekulierten die deutschen Bürgermedien, welche heimtückischen Pläne hinter dem russischen Truppenabzug stecken könnten. Leitfaden war das Motto Christian Morgensterns, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Am Montag rückte die „FAZ“ allerdings auch von der Ukraine ab und teilte mit, dass zwei Tage nach einer Rede Selenskis, in der er eine russische Invasion angekündigt hatte, „eine Wunschliste mit schweren Waffen bei der Bundesregierung eintraf, angeblich alle zu Defensivzwecken“. Außerdem habe Kiew Karten verteilt, in denen angeblich russische Sperrzonen im Schwarzen Meer markiert sind. Russland, räumte die Zeitung unter Berufung auf „Berliner Sicherheitskreise“ ein, reagiere auch auf Kiews Bemühungen auf NATO-Mitgliedschaft und auf NATO-Manöver auf dem Balkan. Das dort und im Schwarzen Meer gerade anlaufende Großmanöver „Defender Europe 21“ mit fast 30.000 Soldaten erwähnte die „FAZ“ nicht – Standard deutscher „Qualitätsmedien“.
Die taktischen Rückzüge in Bezug auf Russland wurden mit schriller Rhetorik gegenüber China kompensiert. So verlangte Baerbock in der „FAS“ Peking gegenüber eine Politik von „Dialog und Härte“. Auf die damit angezielte Umgruppierung auch der Streitkräfte des Westens Richtung Ostasien, die zur außenpolitischen Strategie Bidens gehört, antwortete am Montag offiziell ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums. Er erklärte laut der russischen Nachrichtenagentur „TASS“ angesichts westlicher Sanktionen gegen beide Länder: „In Fragen des Schutzes der staatlichen Souveränität werden sich die VR China und Russland gegenseitig unterstützen.“