Manaf Saleh wurde 1988 in Jordanien geboren. Der Augenoptikermeister aus Bonn kandidiert auf Platz 3 der Liste der DKP zu den Wahlen zum EU-Parlament. Im Gespräch mit der UZ berichtet er über seine Erfahrungen als Deutscher mit palästinensischen Wurzeln. Der Kampf gegen Krieg und nationale Unterdrückung steht im Mittelpunkt seines politischen Engagements.
UZ: Manaf, du stehst auf Platz 3 der Liste der DKP für die EU-Wahl. Weshalb kandidierst du?
Manaf Saleh: Ich bin zwar erst seit etwas mehr als zwei Jahren Mitglied der DKP, aber mir war davor schon bewusst, dass vieles in diesem Land falsch läuft. Besonders die Kriege der letzten Jahre wie der Irak-Krieg, Afghanistan-Krieg und dann später die Zerstörung von Libyen oder die Aggression gegen Syrien haben mich politisiert. Hinzu kommt, dass ich palästinensische Wurzeln habe. Da hat man von Klein auf einen anderen Zugang zum Antiimperialismus.
UZ: Dann ist der Krieg Israels gegen die Palästinenser sicherlich noch mal ein besonderer Grund, aktiv zu sein.
Manaf Saleh: Ja, auf jeden Fall. Der Völkermord, der da im Gazastreifen stattfindet, macht mich extrem betroffen. Die Nachrichten von dort sind das Letzte, was ich mir anschaue, bevor ich schlafen gehe, und das Erste, was ich mir morgens anschaue. Die Attacken gegen Krankenhäuser oder die vielen Kinder, die ermordet wurden, die ganze Grausamkeit, nehmen mich schon sehr mit. Das macht den Alltag manchmal schwer. Ich bin Optikermeister und da fällt es schwer, sich auf Banalitäten zu konzentrieren, welche Brille dem Kunden denn jetzt besser steht. Das Massaker, das gerade in der Heimat passiert, ist aber auch ein Grund, verstärkt aktiv zu werden.
UZ: Palästina zählt mit zu deiner Heimat?
Manaf Saleh: Ich bin in Jordanien geboren und mit drei Jahren nach Deutschland gekommen. Vom neunten bis zum zehnten Lebensjahr haben wir dann in dem Dorf gelebt, in dem mein Vater geboren ist und wo meine ganze arabische Familie lebt. Ich kenne Bonn wie meine Westentasche, weil ich da den Großteil meines Lebens verbracht habe. Deutsch ist meine Muttersprache. Dennoch träume ich zum Beispiel, dass ich in Palästina bin. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass ich den Teil der Familie sehr lange nicht mehr sehen konnte, da ich Palästina nicht betreten darf.
UZ: Wie kommt das?
Manaf Saleh: Ich habe einen deutschen Pass und als deutscher Staatsbürger kannst du ganz normal nach Israel einreisen. Dafür brauchst du noch nicht mal ein Visum. 2011 wollte ich in das Dorf meines Vaters reisen. Am Flughafen Ben-Gurion wurde mir die Einreise verweigert. Als Palästinenser dürfe ich Israel nicht betreten. Trotz meines deutschen Passes. Ich saß dann einen Tag am Flughafen in einer Zelle und hatte Glück, einen früheren Rückflug buchen zu können.
UZ: Du hättest noch nicht mal in einem Hotel am Flughafen übernachten dürfen …
Manaf Saleh: Nein. Ich musste mir die Zelle mit zwei Lateinamerikanern teilen, die kein Wort Englisch sprachen, so dass wir uns kaum verständigen konnten. Seitdem ist klar, dass ich es gar nicht versuchen muss.
UZ: Wie gehst du mit der Situation in Deutschland um? Seit dem Angriff der Hamas auf Israel wurde das gesellschaftliche Klima ja sehr zugespitzt?
Manaf Saleh: Ich sehe nicht typisch deutsch aus. Ich bin auf der Straße als Araber zu erkennen und habe einen arabischen Namen. Das und die Reaktion vieler Menschen darauf sind Teil meiner Identität. Ich hätte mich auch einer palästinensischen Organisation anschließen können, habe mich aber bewusst für die DKP entschieden. Ich will verstehen, woher die Kriege und der Rassismus kommen und will dieses ganze System der Unterdrückung überwinden.
UZ: Du lässt dich also nicht unterkriegen und wirst aktiv.
Manaf Saleh: Ich gehe natürlich auf Demos und nutze die sozialen Medien, um über den Krieg zu informieren. Wo ich kann, spreche ich mit den Menschen und versuche sie zu überzeugen. Die DKP ist die einzige Partei in Deutschland, die wirklich konsequent solidarisch mit Palästina ist. Sie bleibt dabei, dass der Freiheitskampf des palästinensischen Volkes legitim ist und lässt sich nicht beirren davon, dass er immer wieder als Terrorismus abgestempelt wird. Außerdem gibt sie den Unterdrückten die Möglichkeit, gehört zu werden. Wir haben kürzlich in Bonn eine Diskussion mit George Rashmawi, dem Vorsitzenden der Bonner Palästinensischen Gemeinde, organisiert. Er wurde vor Kurzem ja auch von der UZ interviewt.
UZ: Bist du am 25. November auf der Demo in Berlin?
Manaf Saleh: Ich werde es auf jeden Fall versuchen. Diese zentrale Friedensdemo ist superwichtig. Nicht nur wegen Palästina, der Ukraine-Krieg dauert ja auch schon viel länger, als er müsste. Und der deutsche Imperialismus wird immer aggressiver. Dem müssen wir unbedingt entschlossen entgegentreten.