Freispruch, aber keine Olympiateilnahme für 13 russische Sportlerinnen und Sportler

Entscheidung nichts wert

Von Nina Hager

Alexander Tretiakov gewann bei den olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 Bronze im Skeleton (Bild). Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi wurde er Olympiasieger.

Alexander Tretiakov gewann bei den olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 Bronze im Skeleton (Bild). Bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi wurde er Olympiasieger.

( Duncan Rawlinson/Wikimedia Commons / Lizenz: CC BY 2.0)

43 russische Wintersportlerinnen und -sportler hatte das IOC in den letzten Monaten wegen der „Verwicklung“ in das angebliche russische „Staatsdoping“ lebenslang für Olympia gesperrt. In der vorigen Woche hob das CAS, der Internationale Sportgerichtshof in Lausanne, die lebenslangen Sperren gegen 39 von ihnen wegen unzureichender Beweislage auf. Für 28 Sportler galt das ab sofort. Drei Fälle werden, da die betroffenen Biathletinnen ihre Karriere bereits beendet haben, erst später verhandelt.

Doch wie sich schnell zeigte, ist diese CAS-Entscheidung nicht viel wert. Das CAS ist ein vom IOC im Jahr 1984 eingerichtetes – und formal – unabhängiges internationales Schiedsgericht, das im Sport letzte Entscheidungsinstanz in Streitfragen zum internationalen Sport­recht ist. Sein sollte. Denn ob das IOC überhaupt an eine unabhängige Sportgerichtsbarkeit glaubt, ist nach dem jetzigen Vorgang mehr als fraglich. Schon vor der Entscheidung des Gerichts hieß es, man werde auch im Falle eines Freispruchs die gesperrten Sportlerinnen und Sportler nicht für die Olympiade in Pyeongchang zulassen. Und am Sonntag kritisierte IOC-Chef Thomas Bach zudem das Urteil scharf. Er forderte eine Strukturreform des CAS. Angeblich um eine Rechtsprechung mit Qualität und Kontinuität zu garantieren. „Wir können nicht riskieren, dass der CAS seine Glaubwürdigkeit bei den Athleten verliert“, erklärte Bach. Dass dem CAS die Aussagen des „Kronzeugen“ Rodschenkow, der lange Zeit Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors war und mittlerweile in den USA lebt, sowie die anderen, vom IOC vorgelegten Nachweise nicht ausreichten, um eine persönliche Schuld der Betroffenen am organisierten Doping festzustellen, schmeckte den Herrschaften im IOC offenbar gar nicht. Offenbar hatten sie auf Bestätigung und Rückhalt gehofft. Und so wirkt Bachs Aussage wie eine Drohung.

Mittlerweile ist zudem klar: Die „Freigesprochenen“ haben tatsächlich keine Chance an den Olympischen Spielen in Pyeongchang teilzunehmen. Am Montag wurde bekannt, dass die unabhängige Prüfkommission des IOC die Bewerbung von 13 Sportlerinnen und Sportlern sowie zwei Trainern aus dem Kreis der Betroffenen und damit ihre Einladung zu den Spielen ablehnte. Man habe nicht genug Sicherheit, dass diese 13 Sportler tatsächlich „sauber“ seien. Die Einladung ist nötig, weil russische Sportlerinnen und Sportler in Pyeongchang nur unter neutraler Flagge und ohne Hymne starten dürfen. Sie werden nach der Suspendierung des Russischen Olympischen Komitees Anfang Dezember 2017 als „Olympische Athleten aus Russland“ (OAR) geführt. Die Prüfkommission des IOC hatte in den vergangenen Wochen aus über 500 von russischer Seite vorgeschlagener Athletinnen und Athleten 169 ausgewählt und eingeladen. Zu den 13 Sportlerinnen und Sportlern, denen nun eine nachträgliche Einladung verweigert wurde, gehören die Olympiasieger Alexander Legkow (Langlauf) und Alexander Tretjakow (Skeleton). Beide hätten in Pyeongchang zumindest Medaillenchancen gehabt. IOC-Präsident Thomas Bach lobte danach die Arbeit der unabhängigen Prüfkommission: „Das Gremium hat erneut eine großartige Arbeit geleistet.“ Er betonte zudem, dass die Kommission die nur durch eine Nummer gekennzeichneten Russen anonym und unter Ausnutzung verschiedener Informationsquellen geprüft hätte. Dies mache die Entscheidungen der Kommission so wertvoll, „weil sie gewissenhaft und auf gleiche und sehr faire Weise für alle Athleten“ gearbeitet hätte.

Was heißt das? Hat das CAS etwa nicht „gewissenhaft und auf gleiche und sehr faire Weise“ gearbeitet? Das ist kaum anzunehmen. Wurden ihr etwa nicht alle – gegen die Betroffenen gerichteten – Beweise vorgelegt? Auch das ist angesichts des Eifers unwahrscheinlich, mit dem man die Beteiligung der betroffenen Sportlerinnen und Sportler am „russischen Staatsdoping“ und ihre individuelle Schuld nachweisen wollte. Die Entscheidung stand schon vorher fest.

Nur: Aktuell gibt es angeblich Daten über Doping im Langlauf. Von 2001 bis 2017 sollen über 300 Medaillengewinner von Olympia und Weltmeisterschaften – unter ihnen neben russischen Sportlerinnen und Sportlern, von denen die Mehrheit jetzt sowieso nicht starten dürfte, auch solche aus Norwegen, Schweden und Deutschland – verdächtige Blutwerte aufweisen.Über 50 von ihnen stehen auf den Startlisten von Pyeongchang. Wenn das keine Ente ist, die von Journalisten in die Welt gesetzt wurde, die ihre Karriere der „Dopingjagd“ zu verdanken haben? Was dann, was nun IOC?

Wer glaubt da noch, dass es wirklich nur um „sauberen“ Sport sowie faire Wettkämpfe und nicht um Politik und vor allem das Geschäft geht?

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"Entscheidung nichts wert", UZ vom 9. Februar 2018



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