Ver.di und die „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände“ (VKA) führten in der vergangenen Woche die Verhandlungen für die rund 330.000 kommunalen Kita-Erziehungskräfte und andere Beschäftigte in sozialen Berufen fort und haben dabei eine Einigung erzielt. Es ging um Entlastung und Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste. Dass diese attraktiver werden müssen, ist angesichts des auch in diesem Bereich herrschenden Fachkräftemangels nicht zu leugnen – die VKA tat es trotzdem.
Zur Frage der Entlastung sieht die Einigung vor, dass die Beschäftigten pro Jahr pauschal zwei zusätzliche freie Tage erhalten sowie die Option haben, Teile ihres Gehalts in maximal zwei weitere Entlastungstage umzuwandeln. Zwei Tage mehr zur Erholung zu haben, ohne dafür auf Lohn verzichten zu müssen, ist ein wichtiger Punkt. Dass sich die Beschäftigten zusätzlich zwei Tage Erholung „erkaufen“ können, ist ein bekanntes und beliebtes Element in Tarifvereinbarungen geworden. Leider findet es nicht nur die Kapitalseite gut, sondern auch bei vielen Beschäftigten ist diese Regelung beliebt, weil sie selbst entscheiden können, ob sie sich mehr Freizeit leisten können und wollen. Doch bleibt eine zentrale Frage offen: Wenn Personalmangel und Belastung hoch bleiben, wie werden die zusätzlichen Fehlzeiten aufgefangen?
Es hängt also viel an der Frage, ob die Berufe der Sozial- und Erziehungsdienste attraktiver werden, indem sie eine Aufwertung erfahren. Das Tarifergebnis sieht dazu unter anderem vor, dass Erzieherinnen und Erzieher im kommunalen öffentlichen Dienst zum 1. Juli monatlich 130 Euro zusätzlich erhalten, für Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter sind es 180 Euro. Berufserfahrung soll zudem honoriert werden wie bei anderen Beschäftigten im öffentlichen Dienst auch – die Gehälter steigen entsprechend schneller.
Die geforderten Höhergruppierungen für alle hatte die VKA kategorisch abgelehnt. Aber die wäre nötig, um die Berufe attraktiver zu machen und den Personalmangel wirksam und nachhaltig zu bekämpfen. VKA-Präsidentin Karin Welge sieht im Tarifabschluss eine „Herausforderung für die kommunalen Arbeitgeber“ und beklagt, dass die vereinbarten Zulagen die Personalkosten um jährlich rund 3,7 Prozent erhöhen würden. Wie die VKA-Präsidentin angesichts der Mittel, die in diesem Land für Rüstung, „Transformation“ und Konzerngewinne aufgebracht werden, auf die Idee kommt, dass dies ein ernstzunehmendes Argument gegen gute Arbeitsbedingungen und Aufwertung in einem für die Zukunft so entscheidenden Bereich sein könnte, bleibt ein Geheimnis ihrer Presseabteilung. Auch wenn es sich hier nicht um eine klassische Tarifrunde handelt, in der vor allem um Lohnerhöhungen gestritten wird: Festzuhalten ist, dass die hohe Inflation die vereinbarten Zulagen mehr als auffrisst.
Die Beschäftigten der Sozial- und Erziehungsdienste hatten bereits 2015 wochenlang für Aufwertung gestreikt. In diesem Jahr begannen sie seit dem 8. März in Warnstreiks, durch Aktionen und mit großen Demonstrationen für Entlastung und Aufwertung zu kämpfen. Die Beteiligung war gut, die Stimmung auch. Doch im Unterschied zu 2015 gab es diesmal keine Streikdelegiertenkonferenzen.
Seitdem haben sich die Probleme in den Sozial- und Erziehungsdiensten verschärft. Die VKA ist mit sachlichen Argumenten weiterhin nicht zu überzeugen. Doch auch die Streiks allein haben nicht den nötigen Druck erzielen können – auch weil sie keinen direkten ökonomischen Schaden anrichten, wie das in Produktionsbetrieben der Fall wäre. Es bleibt also nur, öffentlich Druck aufzubauen – gemeinsam mit Eltern, Kindern und Patienten, also vor allem denen, die von den Streiks direkt betroffen sind und die ein Interesse an der Entlastung von Erzieherinnen oder Sozialarbeitern haben.
Die Streikenden haben 2015 und 2022 gezeigt, dass sie Streiks kreativ und intensiv führen können. Sie sind nicht einfach von der Arbeit weggeblieben, sondern haben Erfahrungen gesammelt, Strukturen aufgebaut sowie Mitstreiterinnen und -streiter gewonnen. Ob sie auch dieses Mal bereit gewesen wären, die Streiks auszuweiten und in einen Erzwingungsstreik zu gehen? Diese Frage können sie nur selbst beantworten. Die Wiederbelebung der Streikdelegiertenkonferenzen wäre dazu das geeignete Mittel.