In einer Videokonferenz diskutierten Friedensbewegte über „Rechtsoffenheit“

„Entscheidend ist auf’m Platz“

Miteinander ins Gespräch kommen, das wollten die Organisatoren der „Ukraine-Initiative – Die Waffen nieder“ am vergangenen Dienstag. Mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung, auf einem Webinar über den Vorwurf der „Rechtsoffenheit“ gegen die Friedensbewegung zu diskutieren. Dabei gelang mit Uwe Hiksch von den Naturfreunden Deutschland und der Sprecherin des Friedensbündnisses NRW, Mona Aranea, ein kontroverser, aber von Dialogbereitschaft geprägter Einstieg in die Debatte.

Eine wichtige Grundlage bildete das von der Ukraine-Initiative vorgelegte Thesenpapier: „Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?“. Die Demagogie gegen die Friedensbewegung diene dazu, „die Gegner der herrschenden Kriegspolitik als Feinde der Demokratie zu markieren und so mundtot zu machen“, heißt es in dem Papier. Bedauerlich sei, dass „das Narrativ von der Rechtsoffenheit gegenwärtig auch von manchen Kräften in der Friedensbewegung verbreitet“ werde. Das Papier ringt um ein Verständnis für die Entwicklung von sozialen Bewegungen, macht am Beispiel der französischen „Gelbwesten“ deutlich, wie wichtig es für linke Kräfte ist, mit Protestierenden ins Gespräch zu kommen. Wer glaube, dass eine im Zuge des Krieges entstehende Friedensbewegung „sofort den Ansprüchen etablierter linker Organisationen genügen müsse“, habe nicht verstanden, wie soziale Bewegungen funktionieren. Während AfD und rechte Organisationen nach Hegemonie strebten, dürfe sich die Linke nicht zurückziehen. Das sei „Selbstmord aus Angst vorm Tod“.

Diese Herangehensweise sei jedoch kein Türöffner für Beliebigkeit: „Faschismus, Antisemitismus, Rassismus, nationalistische, völkische Überlegenheitsideologien und dämonisierende Feindbilder haben in der Friedensbewegung nichts zu suchen.“ Diese Feststellung bildete den Grundkonsens des Webinars. Sie wurde von vielen Beteiligten nochmals bekräftigt und sowohl von Mona Aranea als auch von Uwe Hiksch mit großer Klarheit unterstützt. Hiksch bezeichnete das Thesenpapier als „interessante Diskussionsgrundlage“, übte jedoch auch deutliche Kritik. Er plädierte dafür, dass auch „rechtsoffene“ Gruppen nicht an der Organisation von Friedensveranstaltungen beteiligt werden sollen. Eine Definition des Begriffes lieferte er nicht. Er warnte jedoch eindringlich vor rechten Unterwanderungsversuchen und Querfrontbestrebungen – beispielsweise aus dem Umfeld des Magazins „Compact“ von Jürgen Elsässer.

Mona Aranea forderte konkrete Kritik statt pauschaler Vorwürfe. Sie verwies auf ein Video, das im „Compact“-Kanal auf „Telegram“ verbreitet worden war. Darin ist zu sehen, wie Aranea in Ramstein auf Demonstranten mit einer „Compact“-Fahne einredete: „Wir wollen nicht, dass das Elsässer-Camp die Demo kapert.“ Im „Compact“-Kanal wurde sie dafür als „Ordner-Tussi“ beschimpft, manchen Antifas gilt sie hingegen als „Rechte“. Im Webinar sprach sie sich dafür aus, Unterwanderungsversuche abzuwehren, warnte aber zugleich davor, „den Feind aus den Augen“ zu verlieren. Es sei die Bundesregierung, die Deutschland zur Kriegspartei mache. Die gesellschaftliche Linke dürfe nicht den Fehler wiederholen, den sie durch ihr Stillhalten bei den Protesten gegen die Corona-Politik begangen hätte, als sie rechten Kräften vielerorts das Feld überlassen habe. Es sei an der Zeit, von der „Abgrenzungsdebatte“ zur „Strategiedebatte“ überzugehen.

In der allgemeinen Diskussion sprach sich die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer für eine breite Friedensbewegung aus. Rechte Unterwanderungsversuche seien real, aber bei allen größeren Friedensaktionen bisher erfolglos. Diskutiert wurden auch praktische Probleme. „Was zählt ist auf‘m Platz“, erklärte ein Diskussionsteilnehmer. So wurde auf einer Friedensdemonstration eine Trommelgruppe mit erkennbarem Reichsbürger-Bezug erst spät entfernt. Dies habe mit „Rechtsoffenheit“ nichts zu tun gehabt, sondern mit Mängeln in der Ordnerstruktur. Auf diese Weise seien Fotos entstanden, die im Nachgang als Beleg für eine angebliche „Querfront“ vorgebracht worden seien. „Statt dass organisierte antifaschistische Kräfte als Ordner unterstützen, warten sie nur ab, dass die Organisatoren von Friedensdemos einen Fehler“ machen, beklagte ein Teilnehmer im Chat des Webinars.

Es ist ein Verdienst der Organisatoren, dass es gelungen ist, Friedensaktivisten mit gegensätzlichen Haltungen miteinander ins Gespräch zu bringen. In vielen Wortbeiträgen wurden die Gemeinsamkeiten hervorgehoben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Austausch zu einem konstruktiveren und sachlicheren Umgang unter Friedensbewegten führt. Das Ziel muss eine breite Bewegung sein. Die brandgefährliche historische Situation wartet nicht auf schwankende Befindlichkeiten.

Das vollständige Thesenpapier „Rechtsoffenheit in der Friedensbewegung – Kampfbegriff oder reales Problem?“ gibt es im UZ-Blog.

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"„Entscheidend ist auf’m Platz“", UZ vom 8. September 2023



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