In Südafrika soll die Landreform endlich vorangetrieben werden

Entschädigungslose Enteignung

Von Georges Hallermayer

Auf seiner 54. Jahreskonferenz im Dezember hatte der ANC nicht nur Schluss gemacht mit Jacob Zuma und seiner korrupten Seilschaft, sondern sich auch zurückbesonnen auf seine Mission, die Rückgabe des von weißen Siedlern geraubten Landes. Oder wie es seine „Freiheits-Charta“ von 1954 forderte: „Das Land denen, die es bearbeiten.“ Obwohl Kommentatoren unkten, die ANC werde über der Landfrage zerbrechen, war damit für die Südafrikanische Kommunistische Partei (SACP) ein Zeichen gesetzt, mit ganzer Kraft in der Drei-Parteien-Allianz ANC-Cosatu-SACP die nationaldemokratische Revolution voranzutreiben.

Präsident Cyril Ramaphosa hat die Regierung umgebildet. 10 Minister wurden entlassen, 21 von 36 Ministerposten neu besetzt. „mail & guardian“, eine südafrikanische Tageszeitung, meint, die „kunterbunte Mannschaft“ sei ohnehin nur bis zu den Wahlen im nächsten Jahr aufgestellt. Der von COSATU abgespaltene Gewerkschaftsbund SAFTU begrüßte zwar die Entlassung diskreditierter Minister, verurteilte aber, dass in Korruptionsverfahren verwickelte Minister in andere Ressorts gewechselt sind. Die Kommunistische Partei zeigte sich dennoch zufrieden. Denn Ramaphosa konsultierte die Bündnispartner (im Unterschied zu Zuma) und SACP-Generalsekretär Blade Nzimande wurde Transportminister. Cyril Ramaphosa kündigte gleichzeitig an, dass die Minister einem Audit über ihre persönlichen Verhältnisse unterzogen würden und weitere Kabinettsumbildungen nicht ausgeschlossen seien. Dass Schlüsselministerien mit liberalen Politikern wie Pravin Gordhan (Staatsunternehmen) und Nhlanhla Nene (Finanzen) betraut werden, zeugt von dem Bemühen des Präsidenten, noch vor den Wahlen im nächsten Jahr die Wirtschaft zu stabilisieren. Der Wahlkampf wirft seine Schatten voraus.

Die Kommunisten in der Regierung tragen aber nicht vorbehaltlos alles mit, was dem Augenblick geschuldet ist. Die SACP (wie auch Cosatu) hat nicht nur vehement gegen die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt protestiert, sie hat umgehend eine nationale Kampagne angekündigt, um zu erreichen, dass die Mehrwertsteuer wieder auf 14 Prozent sinkt.

Dieser 54. Kongress des ANC hat das südafrikanische Volk elektrisiert: Ramaphosa hatte in seiner ersten Rede die Landreform ins Zentrum gestellt. Den von Abgeordneten der „Kämpfer für wirtschaftliche Freiheit“ (EFF) ins Parlament eingebrachte Antrag auf entschädigungslose Enteignung unterstützte die Regierungsmehrheit, so dass bis August das Verfassungsprüfungs-Komitee entscheidet, wie damit verfahren wird. Präsident Ramaphosa wandte sich gegen Panikmache und bekräftigte, dass Land nicht in „Smash-and-Grab“-Aktionen (wie in Simbabwe) besetzt und enteignet wird, sondern „auf vernünftigem Weg durch die Regierung, mit Zeitplan und klar definierten Zielen“.

Der Kampf wird schwer werden. In den 24 Jahren, seit Nelson Mandela die Regierung übernahm, hat der ANC kaum etwas getan, um der Bevölkerung das durch die rassistischen Landgesetze geraubte Land zurückzugeben. 1994 gehörten der „weißen“ Bevölkerung (15 Prozent der Gesamtbevölkerung) 87 Prozent des Bodens. Die Schwarzen, die 80 Prozent der Bevölkerung stellten, waren auf 13 Prozent „Homeland“ eingepfercht. Das Rekonstruktions- und Entwicklungsprogramm unter Mandela hatte das Ziel, 30 Prozent des Ackerlands in 20 Jahren an 600 000 Kleinbauern zu übereignen durch Rückgabe des während der Apartheid-Jahre enteigneten Landes und durch Umverteilung von Ackerland an Landlose durch staatlichen Ankauf.

Die SACP hatte am 8. bis 10. April 2005 auf einem „Special National Congress“ beschlossen, die Kampagne zur Land- und Agrarreform auf allen Ebenen zu intensivieren. Bis 2012 war aber im Rahmen der Landreform gerade mal 7,5 Prozent des „Burenlands“ Schwarzen übereignet worden. 2015 hatte die Regierung Zumas ein neues Ziel anvisiert. In 15 Jahren 50 Prozent des weißen Farmern gehörenden Ackerlandes zu übertragen. Minister Nkwinti hielt dafür fünf Mrd. Euro nötig, um dieses Land anzukaufen. Individuelle Ansprüche von Schwarzen auf Rückübereignung sollten noch bis 30. Juni 2019 geltend gemacht werden können

Die Regierung hat ebenso unterlassen, „den Bauern zu helfen mit Starthilfen, Saatgut, Traktoren und Dammbau zur Bewässerung“ wie es die Freiheits-Charta von 1954 forderte. Dementsprechend gestand 2012 der Landwirtschaftsminister Gugile Nkwinti vor dem Parlament, dass 90 Prozent des zurückgegebenen Landes unbewirtschaftet, also Brachland blieb. Die Begünstigten hätten eine finanzielle Entschädigung vorgezogen.

„Beschränkungen von Landeigentum auf Rassenbasis wird es nicht mehr geben und das Land unter jenen aufgeteilt werden, die es bearbeiten, um Hunger und Landgrabbing zu verbannen.“ Diese Vision der südafrikanischen Freiheitscharta verlangt ein anderes Wirtschaften. Und die natio­naldemokratische Revolution wird von den südafrikanischen Kommunisten nicht nur einen zweiten Anlauf in der Landreform verlangen …

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"Entschädigungslose Enteignung", UZ vom 9. März 2018



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