Rechte Netzwerke im Polizeiapparat werden weiter verharmlost, Ermittlungen behindert

Enthüllungen ohne Ende – Konsequenzen Null

Der Skandal um rechtsextreme Netzwerke bei der Polizei weitet sich kontinuierlich aus. Waren es ursprünglich 30 Beamtinnen und Beamte, gegen die allein in Nordrhein-Westfalen ermittelt wurde, ist die Zahl der Beschuldigten mittlerweile deutlich angestiegen. Laut einem jüngst veröffentlichten Bericht der Landesregierung aus CDU und FDP gab es seit 2017 in NRW 104 Verdachtsfälle. Betroffen ist neben dem Landesinnenministerium selbst mit vier Fällen vor allem die Essener Polizei. Dort wurde mittlerweile ein weiterer Polizist enttarnt. Die bei dem Mann durchgeführte Handy-Auswertung lieferte Indizien, dass sich auch sein Dienstgruppenleiter an Chats mit rechtsextremen und rassistischen Inhalten beteiligte.

Für das antifaschistische Bündnis „Essen stellt sich quer!“ sind diese Enthüllungen keine große Überraschung. „Das Auffliegen einer rechtsradikalen Chat-Gruppe bei der Essener Polizei vor knapp zwei Wochen kam für uns nicht überraschend. Durch bereits früher aufgeflogene Gruppen wusste man, dass es sich um ein bundesweites Phänomen handeln muss. Dass demnach auch derartige Gruppen in NRW existieren müssen, lag auf der Hand“, sagte dessen Sprecher Florian Link am Dienstag gegenüber UZ.

Während die etablierte Politik bemüht ist, die ansteigende Zahl von „rechtsextremen Verdachtsfällen“ im Polizeiapparat zu bagatellisieren, äußern sich nunmehr auch frühere Polizisten zu den Vorwürfen. Einer von ihnen ist der ehemalige Polizeischüler Simon Neumeyer. Er berichtete vor wenigen Tagen dem Westdeutschen Rundfunk, dass er „schon am Anfang der Ausbildung gemerkt“ habe, „dass die politische Tendenz sehr ins Rechte geht, sowohl bei Mitschülern als auch bei dem Lehrpersonal“. „Fremdenfeindlichkeit war salonfähig“, sagt der junge Mann. Beispielhaft zitierte er Nachrichten aus dem Chat mit seinen früheren Kolleginnen und Kollegen: „Wir sind aus Cottbus / Und nicht aus Ghana / Wir hassen alle Afrikaner.“ Im Schießunterricht habe ein Lehrer sinngemäß gesagt, „wir müssten aufpassen und gut schießen lernen, schließlich seien sehr viele Gäste nach Deutschland gekommen“.

In Hessen hat sich mittlerweile ein breites Bündnis gebildet, das von antirassistischen Organisationen, den Pfadfindern, dem Paritätischen Wohlfahrtsverband und der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt wird. Der Zusammenschluss hat sich mit einem Forderungskatalog an die Landesregierung von CDU und Bündnis 90/Die Grünen gewandt. Die Morde von Hanau und an Walter Lübcke hätten „Hessen zu einem Hotspot rassistischer und rechtsextremer Anschläge“ gemacht. Während die Verbrechen des NSU bis heute nicht vollständig aufgearbeitet seien, weise die aktuelle Serie von Bedrohungen durch den „NSU 2.0“ erneut auf rechtsextreme Netzwerke in den Landesbehörden hin. Es brauche „einen Wandel der Organisationskultur, um strukturellen Rassismus und Rechtsextremismus in Verfassungsschutz und Polizei zu bekämpfen“. Dafür müsse auf Landesebene unter anderem eine Studie zu rechtsextremen Vorfällen bei der Polizei durchgeführt werden. Diese wird bisher jedoch sowohl auf Landes- als auch auf Bundesebene von den zuständigen Ministern verweigert. Dies, obwohl sich selbst der Bund deutscher Kriminalbeamter (BDK) seit Monaten für eine solche Erhebung stark macht.

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"Enthüllungen ohne Ende – Konsequenzen Null", UZ vom 2. Oktober 2020



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