Zur Afghanistan-Abstimmung im Bundestag

Enthalten reicht nicht

Zwei Tage nach der Abstimmung über das Afghanistan-Mandat für die Bundeswehr im Bundestag meldet die Presse, dass eine Mehrheit für eine Regierungskoalition aus SPD, Bündnis90/Grüne und „Die Linke“ möglich sei – dieses Zusammentreffen dürfte Zufall sein. Am selben Tag meldet die Presse, dass SPD und Grünen die Enthaltung der Linksfraktion zum bewaffneten Einsatz nicht weit genug geht – das ist Absicht.

In der Bundestagsdebatte waren sich alle einig, dass die Schuld für das Debakel bei den USA liegt und alle – ja, tatsächlich alle – dankten der Bundeswehr für ihren Einsatz. Eine wesentliche Konsequenz für den deutschen Imperialismus wurde mehrfach benannt: „Wir“ müssen in die Lage kommen, selbst solche Einsätze zu führen, allein oder an der Spitze einer von „uns“ geführten EU. Die Umsetzung dieses Kurses wird kosten, mindestens viel Geld, wahrscheinlich auch Menschenleben. Spätestens seit dem Jugoslawienkrieg weiß die herrschende Klasse, dass es sinnvoll sein kann, zur Durchsetzung solcher Optionen Kräfte einzubeziehen, die für viele Menschen noch für Frieden und Abrüstung stehen. Damals waren das die Grünen.

Das ist die Absicht von SPD und Grünen im Umgang mit der Linkspartei. Die Ja-Stimmen und die Enthaltungen der Linksfraktion signalisieren: Mit genügend parlamentarischem und öffentlichem Druck lässt sich was bewegen. Wenn es darum geht, „unsere“ Jungs und Mädels, „unsere“ Ortskräfte rauszuholen, wenn es angeblich um Frauen- und Menschenrechte geht, dann wird auch der größte Teil der Linksfraktion weich.

Wie groß ist hier noch der Unterschied zu den vormaligen Grünen, die den Jugoslawienkrieg billigten, um angeblich ein zweites Auschwitz zu verhindern? Wie groß ist der Unterschied zu einer Sozialdemokratie, die 1914 den Kriegskrediten zustimmte, weil das Joch der Arbeiter unter dem russischen Zaren so schwer war?

Wie in beiden historischen Fällen gibt es sicher viele Mitglieder der Fraktion der Linkspartei, die das nicht wollen. Noch ist Zeit umzukehren, aber dazu gehört eine Absage an das Mitregieren. Denn in der Koalition wird eine Enthaltung in Kriegsfragen nicht geduldet. Oder mit den Worten des Grünen-Politikers Cem Özdemir in der „Welt“: „In einer Regierung könnte sie sich so nicht verhalten.“

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"Enthalten reicht nicht", UZ vom 3. September 2021



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