Berliner Volksbegehren gegen „Deutsche Wohnen & Co.“ geht in die Schlussrunde

Enteignung oder Bombengeschäft?

In Berlin soll eine Volksabstimmung über die (Re-)Kommunalisierung der Berliner Wohnungsbestände von großen Immobilienkonzernen mit über 3.000 Wohnungen in die Wege geleitet werden. Dafür müssen ab dem heutigen Freitag in vier Monaten 170.000 gültige Unterschriften zusammenkommen. Es geht um nicht weniger als 250.000 Wohnungen. Die Abstimmung würde auf den Termin der Bundestags- und Berliner Abgeordnetenhauswahlen im September fallen. Im Erfolgsfall wäre der Senat aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Artikel 15 Grundgesetz erforderlich sind.

Die Kampagne „Deutsche Wohnen & Co. enteignen!“ begeistert. Schon jetzt läuft sie auf Hochtouren. Es sind nicht nur die üblichen Berliner Szenebezirke, in denen die unübersehbaren lila-gelben Plakate kleben. Sollten tatsächlich alle Hürden genommen werden, wäre der Senat jedoch selbst bei einem positiven Abstimmungsergebnis keinesfalls an die Entscheidung gebunden: Ein Senatspapier zum angestrebten Volksbegehren vom 24. September 2021 betont ganz klar dessen Unverbindlichkeit. Es scheint auf eine Art Budenzauber hinauszulaufen – oder schlimmer auf eine außerparlamentarische Wahlkampfhilfe für Rot-Rot-Grün. Das würde jede sachliche Kritik erübrigen, denn Wohnungsmangel, Obdachlosigkeit und Zwangsräumungen haben auch unter dieser Koalition Hochkonjunktur. Sie sind hausgemacht.

Politische Unterstützung für die Kampagne kam seit ihrem Start von der Partei „Die Linke“, dem Großteil der Grünen sowie einem Teil der SPD-Basis. Der SPD-nahe Berliner Mieterverein unterstützt die Kampagne schon lange. Zuletzt zogen immer mehr Initiativen und Verbände nach, auch die großen Gewerkschaften IG Metall und ver.di. Neu ist auch, dass die Berliner MieterGemeinschaft e. V. (BMG), mit knapp 30.000 Mitgliedern Berlins zweitgrößte Mieterorganisation, in einer Stellungnahme die Unterschriftensammlung und den möglichen Volksentscheid unterstützt. Wenn auch nicht unkritisch, sie mahnt: „Eine Enteignung darf nicht zum goldenen Handschlag für Finanzinvestoren werden.“

Ein Knackpunkt ist die Höhe der Summe, die den Immobilien-AGs als Entschädigung für die Immobilien gezahlt werden soll. Die Kampagnenmanager haben dazu einen „Entschädigungs-Mieten-Rechner“ online gestellt. Danach halten sie selbst einen Preis von rund 8 Milliarden Euro für realistisch. Unterschiedliche Senatsvertreter nennen Summen von 20 bis 36 Milliarden. Diese kommen dem Marktwert der Immobilien näher und verdeutlichen, dass es sich keineswegs um eine „Enteignung“ handeln soll, sondern um einen vom Senat angestoßenen Immobiliendeal. Das wäre für Berlin, sieht man von der Größenordnung ab, nichts Neues. Seit Jahren betreibt der Senat unter dem Schlagwort Rekommunalisierung den An- beziehungsweise Rückkauf von Wohnimmobilien. Soweit die Kaufsummen öffentlich bekannt wurden, lief das bisher immer auf ein Bombengeschäft für Immobilien-AGs und Spekulanten hinaus. Für die zwischen 1993 und 2004 privatisierten 10.519 Wohnungen aus ehemals öffentlichem Besitz, die in den letzten drei Jahren zurückgekauft wurden, flossen 1,73 Milliarden Euro. Erhalten hatte Berlin seinerzeit lediglich umgerechnet 381 Millionen. 2019 überlegte der Regierende Bürgermeister Michael Müller, 65.000 ehemals senatseigene GSW-Wohnungen zurückzukaufen. Die hatte man 2004 für nicht einmal 2 Milliarden Euro verramscht, der Rückkauf hätte 13,7 Milliarden Euro gekostet. Da wundert es nicht, dass auch Michael Zahn, Vorstandschef von „Deutsche Wohnen“, kein Problem mit Rekommunalisierung hat: „Das Bemühen, den kommunalen Bestand in Berlin zu stärken, unterstützen wir gerne“, ließ er sich damals zitieren. Befürchtungen eines „goldenen Handschlags“ für Finanzinvestoren bestehen also nicht zu Unrecht. Die Berliner DKP begrüßt, dass die Eigentumsfrage massenwirksam gestellt wird. Sie warnt aber bei aller Euphorie, die das Volksbegehren auslöst, vor Illusionen. Die Milliarden wären als Grundstock für ein kommunales und soziales Wohnungsbauprogramm sinnvoller genutzt.

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"Enteignung oder Bombengeschäft?", UZ vom 26. Februar 2021



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