Hamburg spielt eine wichtige Rolle in meinem Leben. Hier begann ich zu einem einigermaßen politisch denkenden Verstandeswesen zu werden: zum Spartakisten (Januar 1972) und Kommunisten (März 1972.) Hier sah ich erstmals persönlich den für mich legendären langjährigen Vorsitzenden der bis heute illegalen KPD, den kurz zuvor zum Ehrenvorsitzenden der DKP gewählten Genossen Max Reimann, zusammen mit anderen Veteranen auf einer Parteiveranstaltung zum 50. Jahrestag des Hamburger Aufstandes von 1923.
Meine Parteigeneration hat nicht so bedeutsame Taten vorzuweisen wie die der illegalen Kämpfer und Kämpferinnen gegen den faschistischen Terror und gegen das Parteiverbot. Diese Art von Helden wie Etty und Peter Gingold oder Emil Carlebach hat sie nicht vorzuweisen. Aber wir haben gelernt, dass Solidarität bis heute die entscheidende Waffe gegen staatliche Verfolgung und Repressalien ist. Der Kampf mit offenem Visier, sich nicht zu ducken, Farbe zu bekennen für die eigene Überzeugung und sich dabei aber nicht durch „rrrrevolutionäre“ Ungeduld zu isolieren, das – so denke ich – hat meine Parteigeneration gelernt.
Alles „olle Kamellen“ und Selbstbeweihräucherung, die mit heute nichts zu tun hat?
Über 40 Jahre später: die antikommunistische und antilinke Pogromhetze von BILD und Co. erreicht im Zusammenhang mit dem G20-Gipfel eine Dimension mörderischer Verkommenheit, wie sie selbst zur Zeit der Nazi-Zeitung „Der Stürmer“ nicht krasser hätte sein können. Die Hetze gegen die „G20-Verbrecher“ übertrifft alle antilinke und antikommunistische Hetze, die ich bisher erlebt habe.
BILD blieb nicht allein. In den letzten Tagen ergoss sich ein wahres Meer von politischem Unrat und Verkommenheit über „die“ G20-Demonstranten. Wenn sie schon nicht selbst „Verbrecher“ wie der „schwarze Block“ waren, dann waren sie zumindest „Mittäter, Mitschuldige, Mitverantwortliche und moralische verkommene Subjekte“. So klang es nicht nur in der Boulevard-Presse. Die so genannten „seriösen“ Blätter und auch die öffentlich-rechtlichen Medien überschlugen sich ebenfalls.
Als staatlich beglaubigter „Verfassungsfeind“ schrieb ich 1977 in Hamburg zum Abschluss meiner Lehrerausbildung eine Examensarbeit über ein Unterrichtsprojekt über BILD. Ich war damals mit Herzblut dabei gewesen und verachtete BILD wegen seiner ständigen Hetze gegen uns und gegen alles, was links war. Es war mir schwer gefallen „objektiv“ zu bleiben. Am Ende war ich etwas frustriert, denn meine Schüler hatten anderes im Kopf als meine zahlreichen Beweise über die ständigen politischen Lügen von BILD. Was hätte ich auch sonst erwarten können, wo doch BILD und sein politisch kaum weniger antikommunistisches, sozialdemokratisches Pendant namens „Morgenpost (Mopo)“ damals Leib- und Magenblatt von fast 6 Millionen Lesern – vor allem aus dem Arbeitermilieu – waren.
Der Springer-Konzern ist zu einem wahren Giganten nicht nur auf dem Printmarkt herangewachsen, der auch in den früheren Ländern des realen Sozialismus einen erheblichen Teil des Medienmarktes beherrscht. Eine Auswertung des G20-Gipfels bedeutet für mich, die Einheit von staatlichen Repressionsapparaten und den Massenmedien wieder ins Blickfeld zu nehmen.
„Enteignet Springer!“ Aber nicht nur diesen Konzern. Das gilt heute noch mehr als 1968 oder 1977.
Einheit und Zusammenschluss mit den von der Klassenjustiz und der bourgeoisen Medienmacht verfolgten politischen Gegnern des internationalen Kapitals. Das muss unsere Konsequenz sein.