Zum „Entlastungspaket“

Energiepreise stoppen

So wünscht man sich doch eine Regierung. Sie stellt fest, dass diejenigen Bürger, die relativ knapp bei Kasse sind, unter dem rasanten Anstieg der Heizkosten und fürs Tanken richtig zu leiden beginnen. Sie stellt auch fest, dass die Unzufriedenheit im Volk wächst und dass eine freundliche winzige Partei schon seit Januar eine Kampagne fährt, die verlangt, den Anstieg der Energiepreise zu stoppen. Okay, sagen da die Herren Scholz, Habeck und Lindner. Dieses engere Kabinett aus Kanzler, Wirtschafts- und Finanzminister berät und beschließt, in dieser Richtung etwas zu tun. Noch ist nicht ganz klar, wann das Entlastungspaket wirksam wird. Aber es wird kommen.

Hier eine kurze Zusammenfassung der Segnungen, die uns Scholz & Co. vor einer Woche verkündet haben. 1. Die Steuer auf Benzin und Diesel soll auf das EU-weite Mindestmaß gesenkt werden. Der Kraftstoff sollte damit sogleich bei Diesel um 11 Cent und bei Benzin um 30 Cent sinken. 2. Die steuerzahlenden Bürger erhalten eine „Energiepreispauschale“ von einmalig 300 Euro. Sie wird bei abhängig Beschäftigten mit dem Abzug der Lohnsteuer verrechnet, bei Selbstständigen mit der Steuererklärung. 3. Es gibt pro Kind einen einmaligen „Kinderbonus“ von 100 Euro aufs normale Kindergeld. 4. Empfänger von Hartz IV erhalten einen einmaligen Bonus von ebenfalls 100 Euro. 5. Drei Monate lang sollen die Bürger das Angebot eines Monatstickets von 9 Euro für die Nutzung von Bus, Tram und Bahn in ihren Städten oder Kreisen erhalten.

Die letztgenannte Maßnahme wirkt besonders erfreulich, weil sie als vom Bund finanzierter Einstieg in einen erschwinglichen öffentlichen Nahverkehr gelten kann. Insgesamt könnte dieses „Entlastungspaket“ den Bundeshaushalt etwa 15 Milliarden Euro kosten. Entlastungspaket ist eine korrekte Bezeichnung, denn nur die Senkung der Mineralölsteuer (wie diese Steuer früher hieß) hat unmittelbar preissenkende Wirkung. Die hohen Gas- und Strompreise bleiben hoch. Stattdessen wird ein Teil der Zusatzkosten, die bei den Haushalten anfallen, durch Steuersenkungen und Zuschüsse kompensiert. Das spricht für diese Maßnahmen, weil sie nicht, wie die Senkung der Diesel- und Benzinpreise, die reichen SUV- und Luxuskarossenfahrer und -fahrerinnen überdurchschnittlich entlasten. Die arme deutsche Regierung konnte aber gar nicht anders, als so sozial zu handeln. Denn die EEG-Umlage ist bereits ab Juli auf Null abgesenkt. Ansonsten hatte ihr Vorgänger dafür gesorgt, dass Strompreise ihrem Zugriff entzogen sind. Die Strompreise werden heute einem pseudofreien „Markt“ überlassen, während sie früher von den monopolistisch organisierten „Versorgern“ bestimmt und staatlich „genehmigt“ wurden.

Auch die Gasversorgung von Industrie und Haushalten ist einem solchen „freien“ Markt überlassen. Der Errichtung der Gaspipeline „Nord Stream II“ war insofern, wie Altkanzler Schröder im üblichen neoliberalen Neusprech anmerkte, ein „rein kommerzielles Projekt“. Ganz wie die aktuellen Bemühungen von EU und Robert Habeck, noch viel teureres Flüssiggas aus Katar und den USA einzuführen und hübsch teure Terminals für den Stoff an der Nordseeküste zu errichten, selbstverständlich auch „rein kommerzielle Projekte“ sein werden.

Noch ein kostenloser Tipp für Berlin: Um den Energiepreisanstieg wirksam zu stoppen, könnte die Regierung ad eins die Sanktionen gegen Erdölausfuhren aus Iran und Venezuela unterlaufen und ad zwei mit Russland (und Gasprom) kommerziell attraktive langfristige Gasverträge abschließen sowie bestehende Gasleitungen auch nutzen.

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"Energiepreise stoppen", UZ vom 1. April 2022



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