Wie hochgesinnt es doch klingt, unser wunderbares Grundgesetz: „Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“ Selbstzensur ist hingegen nicht nur statthaft, sie ist den Regierenden auch hochwillkommen. Die Schmocks der Redaktion ARD-aktuell haben sich ergo zu Meistern der journalistischen Selbstverstümmelung entwickelt. Wichtigste Instrumente ihrer Nachrichtengestaltung: Unterschlagen wesentlicher Informationen, Verschleiern problematischer Fakten, verzerrte Darstellung von Sachzusammenhängen, irreführende Ausdrucksweise per Sprachregelung, Verzicht auf Gegenrecherche, Ignorieren missliebiger Aussagen.
Kurz vor Weihnachten wurde das deutschsprachige Fernseh-Magazin des russischen Senders RT DE (vormals Russia Today) nach sechs Sendetagen schon wieder vom Satelliten abgeklemmt. Veranlasser: die Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Und siehe da, siehe oben: Die Tagesschau unterschlug alle Nachrichten über diesen ideellen Bruch mit der Rundfunkfreiheitsnorm des GG.
Die Entscheidung, den Skandal zu ignorieren, gehörte zu ihrer Funktion des Haushofmeiers der Bundesregierung. Der hält gefügig den Mund (er wird auch gut bezahlt), anstatt aufs Schärfste zu kritisieren, dass original russische Sichtweisen aus unserem gesamtgesellschaftlichen Diskurs herausgehalten werden – von den Bürokraten einer Medienaufsichtsbehörde. Als ob es in diesen spannungsreichen Zeiten für uns Deutsche nicht von allergrößtem Interesse wäre, auch originale Gegenpositionen zu unserem US-amerikanisch und NATO-dominierten Mainstream zur Kenntnis zu bekommen, ohne vorgeschaltete Filter. Als ob nicht genau diese Offenheit der wichtigste der „anerkannten journalistischen Grundsätze“ wäre, die Objektivität garantieren sollen und deren Beachtung die Rundfunkgesetze verlangen.
In seiner eigenen Russland-Berichterstattung lässt der deutsche Qualitätsjournalist hingegen gern die Sau raus, meist ohne es mit den Fakten allzu genau zu nehmen. Journalistische Heckenschützen wie Ina Ruck, Silvia Stöber oder Patrick Gensing dürfen ihre paranoide Russophobie getrost ausleben.
Der Internet-Sender RT DE war schon im September ´21 in einem Akt US-konformer Liebedienerei von Google aus dem YouTube-Angebot gekippt worden. Zum Jahresausklang fiel nun auch das neue Fernsehprogramm RT DE der Zensur zum Opfer, seine Ausstrahlung via Eutelsat 9b wurde unterbunden.
Der zwangsweisen Abschaltung eines bereits in Betrieb genommenen Senders geht normalerweise ein rechtsstaatlich einwandfreies, justiziables und öffentlich einsehbares Verwaltungs-Verfahren voraus. Mit RT DE jedoch wurde kurzer Prozess gemacht. Warum das ohne Absprache mit dem Lizenzgeber Serbien klappte und warum das kommerzielle Satelliten-Konsortium Eutelsat S.A. in Paris sich dabei zum Komplizen machen ließ, bleibt vorerst im Dunkeln.
Deutsche Selbstgerechtigkeit
Welche Gründe bewegen Politiker und Behördenleiter, einen russischen Nachrichtenanbieter wie RT DE in Deutschland bis aufs Messer zu bekämpfen? Vor der Suche nach Antworten ist daran zu erinnern, dass die deutsche Öffentlichkeit nachdrücklich in dem arroganten Irrglauben bestärkt wird, hierzulande herrsche vorbildliche Meinungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit – im Gegensatz zu Russland und anderen Ländern. Von diesem hohen Ross verkünden unsere Weißen Ritter:
„Der Sender RT DE verbreitet im Auftrag des russischen Staates Verschwörungstheorien und Desinformationen.“
Ins gleiche Horn bläst der medienpolitische Sprecher der FDP, Tobias Hacker: „Zu Recht haben Medienanstalt und YouTube dem Piratensender der Demokratie-Feinde und Querdenker sofort den Stecker gezogen. Dieser wiederholte Umgehungsversuch europäischer und nationaler Gesetze unterstreicht die Gefahr dieses selbsternannten TV-Senders und erfordert Handeln auf allen Ebenen.“ Es liegen Welten zwischen solch konfus-reaktionärem Geifer und dem häufig zitierten, dem Philosophen Voltaire zugeschriebenen Satz: „Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, dass Sie die Ihre frei aussprechen dürfen.“ Auch ARD-aktuell scheute sich nicht, beim Thema „YouTube kappt RT“ auf FDP-Hackers mieses Niveau herabzusteigen, ganz die beflissene Gehilfin der russlandfeindlichen deutschen Kräfte in Politik und Gesellschaft. Exakt dazu passte, dass die Redaktion auf den Eutelsat-Blitzkrieg gegen RT DE mit keinem Wort mehr einging.
Silvia Stöber, ARD-aktuell-Expertin in gehässiger Berichterstattung über Russland, hatte allerdings schon in früheren Beiträgen Gift und Galle gegen RT gespuckt. Als die RT-Verantwortlichen in Frankreich von ihrem Recht Gebrauch machten, gegen Verleumdungen und Beleidigungen zu klagen, diffamierte Stöber das als „Instrumentalisierung des Rechtsstaates“:
„Misserfolge vor Gericht halten (sie) nicht davon ab, immer weiter zu klagen. Das zeigt das Vorgehen Rts in Frankreich“.
Reichlich unverblümt legt Stöber hier nahe, den russischen Kollegen stehe dieses Recht eigentlich nicht zu. Das läuft letztlich darauf hinaus, Russen als Wesen minderen Wertes, als Untermenschen zu betrachten – in deutschem Ungeist, dem längst nicht ausgestorbenen. Stöbers Artikel erschien sinnigerweise unter der ARD-aktuell-Rubrik „Investigativ“.
Nicht minder unsachlich und denunziatorisch der „Faktenfinder“ Gensing: „Der russische Staatssender RT DE ist eine der wichtigsten Quellen für Corona-Leugner und ‚Querdenker‘ in Deutschland“.
Saudumme Schlagetot-Begriffe ersetzen Argument und Beweisführung in diesem Meinungskampf.
Kaffeesatzleser
Gensings „Analyse“ stützt sich ausschließlich auf Studienergebnisse des Institute for Strategic Dialogue, ISD. Diese „Denkfabrik“ mit Sitz in London und Büros in Washington und Toronto nennt sich selbst „unabhängig“. Sie beansprucht die hehre Erkenntnis vom einzig richtigen Weg zu haben. Darum ist dieser Club von Atlantizisten für ein sachliches Gutachten über die RT-Nachrichten genauso hochqualifiziert wie der Vegetarier für ein neutrales Urteil übers Schweinehack.
Absurd die Annahme, unsere staatlichen Strukturen seien gefährdet, weil auf den RT DE-Seiten Kritik an der Regierungspolitik gegen SARS-Cov-2 veröffentlicht wird (dort sind übrigens auch zustimmende Auffassungen vertreten). Erst recht beknackt die Vorstellung, Putin unterstütze mittels RT DE die „Verschwörungstheoretiker“ und „Corona-Leugner“ publizistisch, weshalb der Verfassungsschutz zu aktivieren sei. Der ARD-aktuell ins Stammbuch: Wer sich als Herold für die geheimdienstliche Ausforschung eines missliebigen Rundfunksenders hergibt, und sei es auch nur halbherzig, darf selbst als antidemokratisch durchgeknallt betrachtet werden.
Die kaffeesatzlesenden Scheindemokraten in den Amtsstuben und Redaktionen übersehen bei ihrem Ruf nach der staatlichen (geheimdienstlichen, polizeilichen) Ordnungsmacht etwas Entscheidendes: Auch Meinungsäußerungen, die der verfassungsmäßigen Ordnung zuwiderlaufen, also weit mehr sind als das, was Kritiker der Anti-Pandemie-Politik und Impfskeptiker von sich geben, sind grundgesetzlich (Art.5 GG) geschützt. Das Grundgesetz vertraue darauf, so die Bundesverfassungsrichter, dass sich unvertretbare Meinungen in der Öffentlichkeit nicht durchsetzen. Dabei weiß der hyperaktiv schnüffelnde Verfassungsschutz nicht einmal ungefähr zu sagen, um wieviele auf dem RT DE-Forum und anderwärts sich tummelnde „Querdenker“ es sich überhaupt handelt. Trotzdem wird der Alarmzustand ausgerufen.
„Faktenfinder“ vom Schlage Gensing treiben die staatliche Einschüchterung Andersdenkender voran und bestätigen damit Verhältnisse in Deutschland, die sie Russland vorwerfen. Sie schämen sich nicht einmal der Quelle, auf die sie sich berufen: Das bereits erwähnte Institute for Strategic Dialogue wird nicht nur von Universitäten und humanitären Stiftungen unterhalten, sondern vor allem von einem Konglomerat atlantischer Ministerien, getarnter Geheimdienstinstitute und ebenso superreicher wie obskurer Mäzene wie Gates und Soros finanziert. Es ist fraglos antirussisch orientiert.
Im ISD-Verwaltungsrat („Board Members“) sitzen Geldsäcke und Meinungsmacher wie Mathias Döpfner (Springer), der Investor und Unternehmensberater Roland Berger sowie der Chef der Münchner „Sicherheitskonferenz“, Wolfgang Ischinger, ein Vordenker der NATO-kalten Krieger. Ebenfalls in dem erlauchten Kreis: der Aufschneider und Abschreiber Karl-Theodor von und zu Guttenberg, einst Kriegsminister, heute Lobbyist – unter anderem für die Skandalfirma Wirecard.
Tagesschau.de-„Faktenfinder“ Gensing kupferte übrigens den Titel für seinen Schmäh – Ein Virus des Misstrauens: Der russische Staatssender RT DE und die deutsche Corona-Leugner-Szene – Wort für Wort von der ISD-Analyse ab. Die ideelle Nähe zu unserer Grünen Spitzendiplomatin, Trampoline Baerbock, ist nicht zu übersehen.
Stachel im Fleisch
Keine Frage, RT DE stört den Verein der transatlantischen Liebediener in Politik und Massenmedien. Der Sender bietet ein professionell gestaltetes Kontrastprogramm mit Nachrichten zu wichtigen politischen und gesellschaftlichen Fragen. Er hat damit schon häufig die entsprechenden Meldungen des Mainstreams widerlegt und dessen Manipulationen aufgedeckt.
Auffallend: RT DE pflegt bei aller Kritik an den westlichen Verhältnissen in seinen Nachrichten eine weitgehend wertungsfreie Sprache und trennt Fakten von Meinung strikter als die Konkurrenz. Verbale Entgleisungen und Stillosigkeit, bei ARD-aktuell gang und gäbe („Kreml-Chef Putin“, „Machthaber Assad“, „Diktator Lukaschenko“, „Autokrat Orban“) gibt es im RT DE-Nachrichtenteil nicht. Die Redaktion zahlt nicht mit gleicher Münze: „Machthaber Biden“ sucht man auf RT DE vergebens.
Seit seinem ersten Auftritt in der deutschen Medienlandschaft hat RT DE erheblich an Bedeutung gewonnen. Ulrich Heyden berichtet im Magazin Telepolis:
„Seit 2014 gewann RT Deutsch als Video-Kanal massiv an Popularität. Im Bereich News und Politik lag RT DE im August 2021 bei Nachrichtenkanälen auf Platz 5 der Videoaufrufe … vor der Abschaltung durch YouTube hatte der Kanal RT DE 614.000 Abonnenten.“
RT DE beunruhigte schon bald nach dem Start den deutschen Mainstream und die Politiker im Reichstag und ließ – in ungebrochener Tradition seit Kaiser Willem Zwo – auch die deutschen Sicherheitsbehörden aktiv werden. In Ermangelung besserer Argumente schlugen die Missgünstigen mit dem verbalen Stuhlbein drauf: „Staatsfernsehen“, „hybride Kriegsführung“, „russischer Propagandasender“ u.a. entstammen ihrem Kampfvokabular, es wird auch von ARD-aktuell gepflegt. Als Selbstprojektion erkennen die Herrschaften das natürlich nicht.
Tagesschau-trübe Quellen
Es ist ihr Job, Schockmeldungen aus dem Arsenal für psychologische Kriegsführung der Geheimdienste – speziell der „Fife Eyes“ – als Nachricht getarnt weiterzugeben und sich nichts dabei zu denken, dass sie auf diese Weise dem AgitProp-Material das Gewicht von Tatsachen beimessen. Sie sagen nicht „die CIA behauptet“ oder „der Pentagon-Geheimdienst NSA bezichtigt“, sondern verschleiern ihre Quellen:
„Nach westlichen Schätzungen stehen 60- 90 000 russische Soldaten im Grenzgebiet …“ Die Tagesschau entblödet sich auch nicht, vorbehaltlos aus Berichten des Bundesamtes für Verfassungsschutz zu zitieren, wörtlich, als handle es sich um gerichtsfeste Befunde und nicht bloß um Geheimdienst-Gewäsch: RT Deutsch und die Nachrichtenagentur Sputnik versuchten, „die politische und öffentliche Meinung in Deutschland im Sinne der russischen Politik zu beeinflussen.“ Den Balken im eigenen Auge bemerken solche Qualitätsjournalisten nicht. Mit ihrer überschäumenden Verherrlichung des kriminellen Maulhelden Nawalny als „führender Oppositionspolitiker“ und unterstützenswerter „Kremlkritiker“ beispielsweise beteiligen sie sich an der psychologischen Kriegsführung gegen Russland. Sie übersehen, was sich die Deutsche Welle in ihrem Russlandprogramm an regierungsfeindlicher Einflussnahme erlaubt: DW berichtete sogar über Nawalnys Aufruf, die Präsidentenwahl zu boykottieren. Sie gab umfangreiche Tipps, wie Stimmen ungültig zu machen seien oder mit welchen anderen Mitteln der Wahlprozess beeinträchtigt werden könne. Das war nicht mehr nur journalistische Berichterstattung, sondern direkte Einmischung in die inneren Angelegenheiten Russlands.
Das hier ist typisch für ARD-aktuell:
„‚Russia Today‘ (RT) als Flaggschiff der russischen Auslandsmedien berichtet genau das, was die Führung in Moskau der Welt mitteilen will.“
Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Regierungshöriger Journalismus ist schließlich das Markenzeichen der Tagesschau-Teams.
Den Begriff „russischer Staatssender“ verwendet die Tagesschau in abwertender Absicht. Staatssender – Hauptmerkmal: direkte Finanzierung aus der Staatskasse (demnach ist auch die Deutsche Welle einer) – gelten als Einflussinstrument und Machtapparat. Sich selbst will die ARD-aktuell natürlich nicht so nennen lassen und beruft sich auf ihre Zugehörigkeit zu einer öffentlich-rechtlichen Anstalt (NDR).
Nun denn, ARD, ZDF und Deutschlandradio werden zwar nicht direkt aus der Staatskasse finanziert, wohl aber mit gesetzlich festgelegtem Rundfunkbeitrag – mit einer „Rundfunksteuer“, die nur anders heißt. Die als Aufseher bestallten Mitglieder der Rundfunkgremien sind nicht demokratisch gewählt, sondern werden nach einem amtlichen Schlüssel von (aus Sicht der jeweiligen Landesregierung) „relevanten“ Gruppen entsandt. Wer relevant ist, wird in den Staatskanzleien der Bundesländer ausgekungelt. Politische Subordination ist im öffentlich-rechtlichen Rundfunk deutscher Prägung ebenso sichergestellt wie in anderer Länder Staatsrundfunk.
Im Gegensatz zur Kernaussage des Grundgesetzartikels 5 darf auch durchaus nicht jeder, der das möchte, Rundfunksendungen veranstalten. Er braucht eine staatlich normierte Lizenz. Wie autoritär und bevormundend die Voraussetzungen dafür aussehen, zeigt ein kürzlich ergangenes Urteil des Verwaltungsgerichts Kassel. Es überlässt staatlichen Behörden die Entscheidung, ob „ein Rundfunkveranstalter die Gewähr dafür bietet, bei zukünftigen Rundfunkveranstaltungen die Würde des Menschen sowie die sittlichen, religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen anderer zu achten.“
Rundfunkfreiheit zu gewähren liegt demnach im staatlichen Ermessen, sie ist kein Freiheitsrecht an sich. Staatliche Willkür ist aufgrund derart vager Generalklauseln nicht ausgeschlossen. Vor diesem Hintergrund und angesichts der verbreiteten Neigung, russischen Antragstellern die übelsten Absichten zu unterstellen, hatte RT DE nie eine reelle Chance zur Lizenzierung in Deutschland. Der Sender muss für die europaweite Gültigkeit seiner serbischen Zulassung klagen.
Wozu nur diese feindselige Abwehr? Im TV-Programmangebot für die Wunderlampe im Wohnzimmer hätte der Sender doch eh nur einen kleinen „Markt“-Anteil. Die überwältigende Mehrheit seiner Kunden nutzt das RT DE-Magazin viel lieber via Internet. Dort ist es für alle zugänglich, die sich ihren Informationsanspruch nicht von deutschen Regulierern und Qualitätsjournalisten begrenzen lassen wollen. Was soll also die kindische Rechthaberei? Deutsche Bürokraten führen ihren Kleinkrieg gegen RT DE anscheinend unter Karl Valentins Parole:
„Nieder mit dem Verstand – es lebe der Blödsinn!“