Im Jahr 2015 bereitete sich das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr auf Einsätze in Syrien vor – für den Notfall, was immer das auch bedeuten sollte. Zu einem Einsatz kam es wohl nicht. Jetzt forderte James Jeffrey, der Sonderbeauftragte der USA für Syrien und die Anti-IS-Koalition, die Bundesregierung und weitere europäische Verbündete auf, die USA mit Truppen im Norden Syriens zu unterstützen. Großbritannien und Frankreich haben bereits seit längerem einige Hundert Soldaten in Syrien stationiert und wollen ihr Kontingent geringfügig um zehn oder fünfzehn Prozent erhöhen. Ansonsten finden sich wenige Freiwillige, die deutsche und die niederländische Regierung lehnten einen Einsatz vorerst ab. Die USA sind über die Reaktion enttäuscht.
Der IS steht keineswegs im Mittelpunkt der US-Forderungen nach Soldaten aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. Es geht darum, auch im Falle eines Teilabzugs der US-Truppen den Schutz der kurdisch kontrollierten „Demokratischen Kräfte Syriens“ (SDF) vor einem türkischen Angriff zu gewährleisten. Eine Zusammenarbeit der SDF mit der syrischen Regierung – so unwahrscheinlich sie mittlerweile ist – soll damit auf jeden Fall verhindert werden.
Für die USA ist das Gebiet östlich des Euphrat unter Kontrolle der SDF von enormer Bedeutung. Das Gebiet ist reich an Landwirtschaft, Öl und Gas und solange die USA direkt oder indirekt die Kontrolle darüber behalten, kann Syrien nicht mehr zu einstiger Größe aufsteigen. Die Kontrolle wird den USA von der Türkei streitig gemacht, die zwar auch den Einfluss der Regierung in Damaskus beschneiden, aber kurdischen Einfluss stattdessen keinesfalls dulden will.
Die Konkurrenz zwischen diesen NATO-Staaten wird ergänzt durch gelegentlich aufflammende Konflikte zwischen SDF und arabischen Bewohnern des Gebietes. „Offiziell“ gibt es dort keine Wehrpflicht, doch kommt es bisweilen zu Zwangsrekrutierungen von jungen Arabern. Beispielsweise berichtete die Nachrichtenagentur „Reuters“ im letzten Jahr von Protesten in Raqqa gegen die Zwangsrekrutierung und gegen das in den Augen der Demonstranten diskriminierende Verhalten kurdischer Amtsträger gegenüber der arabischen Mehrheit. Hier ist ein anderer Verbündeter der USA bereits aktiv. Der saudische Minister für Angelegenheiten der Golfstaaten, Thamer Al-Sabhan, reiste zum zweiten Mal nach 2017 nach Raqqa. Er versuchte, in Gesprächen mit Stammesvertretern in Deir ez-Zor Wogen zu glätten und die Spannungen zwischen Kurden und Arabern zu entschärfen.
Von Deutschland verlangte die US-Regierung Ausbilder und logistische und technische Unterstützung, um eigenen Truppen aus Syrien abziehen zu können. Denn die Wählerbasis von Trump ist kriegsmüde. Dass die deutsche Regierung keine Bodentruppen schicken will, liegt wohl nicht an der komplizierten Situation. Auch die deutschen Regierungsparteien müssen an ihre Wähler denken – da ist links und rechts die Ablehnung von Bodentruppen stark.
So bleibt es weiterhin beim Einsatz der Bundeswehr vor allem mit Aufklärungs- und Tankflugzeugen.
Doch das letzte Wort ist womöglich noch nicht gesprochen. „Im Juli werden wir die Antworten auf unsere Bitten sammeln und dem Präsidenten vorlegen“, sagte Jeffrey. „Wir wollen dem Präsidenten zeigen, dass sich unsere Verbündeten in der Koalition wirklich Mühe gegeben haben.“