Das staatliche Förderprogramm für Versicherungskonzerne ist am Ende

Endlich ausgeriestert?

The first cut is the deepest“ singt Rod Stewart in einem seiner bekanntesten Lieder. Tiefe Einschnitte zeichneten die Bundesregierungen aus, die um die Jahrtausendwende herum von SPD und den „Grünen“ gebildet wurden. Dies gilt nicht nur auf dem Gebiet der Außen- und der Arbeitsmarktpolitik.

Tief und grundsätzlich war der von Kanzler Gerhard Schröder und Vizekanzlers Joseph Fischer durchgezogene Schnitt in die Altersvorsorge für abhängig Beschäftigte. Bis 2002 lag das staatlich garantierte Niveau der Regelrente aus der „Bundesversicherungsanstalt für Angestellte“ (BfA) oder den „Landesversicherungsanstalten“ (LVA), die für die Altersversorgung der Arbeiterinnen und Arbeiter zuständig waren, bei 70 Prozent des Nettoeinkommens. Das galt für diejenigen, die von der Lehre bis zur Rente regelmäßig Lohneinkommen bezogen hatten – die sogenannten „Eckrentner“. Zwar gab es etwas Spielraum für Versicherungen und andere, die ihnen gegen den Einwurf kleiner oder großer Scheine ein Plus zu dieser Grundversorgung verkaufen wollten – aber die Grundversorgung von 70 Prozent war ein eherner Sockel, der für die meisten aus jahrzehntelanger Tradition eine sichere Bank war. Nach einer ganzen Serie von weiteren Einschnitten liegt dieser Sockel der nun zur „Deutschen Rentenversicherung“ (DRV) verschmolzenen staatlich garantierten Alterskasse nur noch bei 45 Prozent.

Der entscheidende erste Schnitt kürzte die Eckrente um drei auf 67 Prozent. Als Ausgleich – so die Idee des damaligen Arbeitsministers Walter Riester (SPD) – fördert der Staat den Aufbau einer diese 67 Prozent auf die gewohnten 70 Prozent aufstockenden privaten Altersvorsorge. Vor allem Lebensversicherungen, aber auch zum Beispiel Bausparkassen wurden berechtigt, entsprechende Produkte zu verkaufen. Das politische Deal war recht simpel: Die Unternehmen sparen ihren paritätischen Anteil an drei Prozent der Altersvorsorge der von ihnen Ausgebeuteten. Der Staat alimentiert im Gegenzug aus Steuermitteln diejenigen Arbeiter und Angestellten, die in dieser Höhe dann auf gänzlich eigene Kosten zum Beispiel eine Lebensversicherung erwerben. Die jährlichen Prämien lagen anfangs bei 30 bis 60 Euro plus Kinderzuschlägen im niedrigen dreistelligen Bereich.

Bei Allianz und Co. knallten die Sektkorken. Sie versprachen ihren Kunden traumhafte Renditen und unter dem Strich landeten die staatlichen Zuschüsse in ihren Kassen. Tüchtige Vertreter erzielten Jahreseinkommen aus Provisionen für die Vermittlung dieser Versicherungen im sechsstelligen Bereich.
Allerdings erlahmte der Galopp der Riester-Pferdchen. Das liegt an einem scheinbar unaufhörlichen Sinkflug der Zinsen auf nunmehr – zum Teil – unter Null. Denn die Riester-Produkte hatten einen Haken: Sie waren nur dann zulagefähig, wenn sie mindestens den nominalen Werterhalt der eingezahlten Beiträge versprachen. Da sei, so jammerten diejenigen, die „unter Schröder und Fischer“ noch großen Reibach gemacht hatten, eine Bleikugel am Bein dieser Produkte. Mehr und mehr Versicherungskonzerne verabschiedeten sich aus diesem Markt. Die Zahl der abgeschlossenen Verträge stagniert seit 2013 bei rund 16 Millionen.

Lust auf neue Verträge hat also niemand mehr: Auch die früher heftig umworbenen Kunden nicht. Denn inzwischen springt nach Berechnungen von Verbraucherschützern nur noch für diejenigen Rentner eine positive Rendite heraus, die es bis zu ihrem hundertsten Geburtstag schaffen. Und Versicherungsunternehmen und Anlagefonds haben die Lust verloren, weil die für sie abschöpfbare Differenz zwischen Beitragsgarantie und Renditen auf den Kapitalmärkten einfach zu schmal­ geworden ist.

Die Riester-Rente ist somit wohl schon so gut wie auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Aber was folgt ihr? Am besten wäre es, den Fehltritt zu gestehen und die paritätisch von Unternehmern und Ausgebeuteten gleichermaßen finanzierte staatlich garantierte Altersrente wieder in vollem Umfang einzuführen. Die Versicherer sehen das anders: Sie wollen als Nachfolgemodell eine noch schlankere, digital abzuschließende Versicherung ohne jede Garantie auf die Zahlung einer späteren Rente.

Das Kapitalmarktrisiko soll damit vollständig von den heutigen Arbeitenden und künftigen Rentnern getragen werden. Die vom Staat gezahlte Prämie wollen sie dennoch erhalten und möglichst weitgehend in ihre eigenen Kassen lenken.

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"Endlich ausgeriestert?", UZ vom 21. Mai 2021



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