Zu den Tarifrunden im öffentlichen Dienst und bei der Post

Ende der Bescheidenheit

Das „Ende der Bescheidenheit“ bescheinigte der „Tagesspiegel“ der Gewerkschaft ver.di in den anstehenden Tarifrunden für den öffentlichen Dienst und bei der Deutschen Post. Die Forderung für die rund 2,5 Millionen Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst des Bundes und der Kommunen beträgt 10,5 Prozent, für die knapp 160.000 Beschäftigten der Deutschen Post 15 Prozent.

Die letzte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst im Schatten der Pandemie vor zwei Jahren war tatsächlich bescheiden. Daraus resultiert ein realer Nachholbedarf. Aber noch gewichtiger ist der reale Kaufkraftverlust durch die aktuelle Inflationsrate, vor deren Hintergrund die Forderungen kaum ausreichend erscheinen, den Lebensstandard der Beschäftigten zu sichern.

Nach einer aktuellen Einschätzung rechnet der Vorstand der Post mit einem Rekordgewinn in Höhe von 8,4 Milliarden Euro, möglicherweise sogar mehr. Sie hat insbesondere mit ihrer DHL von der Corona-Pandemie profitiert, der Onlinehandel und damit die Erlöse des Paketvertriebs sind massiv gestiegen. Verbunden damit natürlich auch die Belastungen der Beschäftigten. Das hindert allerdings das Management nicht daran, die Forderungen als „realitätsfern“ abzutun. Die Realität ist, dass Ende 2021 die Verträge für rund 6.000 von insgesamt 24.000 befristet Beschäftigten nicht verlängert worden sind, was zu Personalmangel und dadurch laut ver.di zu einer „krank machenden Dauerüberlastung“ für die Frauen und Männer geführt hat, die noch hinter den Schaltern und in der Zustellung arbeiteten.

Die Inflation und den gestiegenen Arbeitsdruck erleben auch die Beschäftigten im öffentlichen Dienst, und ver.di-Chef Frank Werneke verweist zu Recht darauf, dass ohne höhere Einkommen große Teile des öffentlichen Dienstes auf dem Arbeitsmarkt keine Chance gegen die Arbeitgeber in der Privatwirtschaft haben.

Das alles macht deutlich, dass es bei diesen anstehenden Tarifrunden nicht nur um die primären Interessen der betroffenen Kolleginnen und Kollegen geht, sondern dass sie Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft haben. Den Personalmangel in den Rathäusern spüren auch die Menschen in den Kommunen. Eine tabellenwirksame Erhöhung der Einkommen liegt auch im Interesse der Rentner und der Erwerbslosen. Einmalzahlungen haben keinen Einfluss auf Steigerung der Renten und des Bürgergeldes. ver.di führt mit diesen Tarifkämpfen also nicht nur den Kampf für seine Mitglieder, sondern auch für große Teile der Bevölkerung.

Damit wird die Auseinandersetzung auch zu einer Sache aller arbeitenden Menschen, der Rentner und der von der Arbeit Ausgegrenzten. Es ist an der Zeit, Solidarität mit den Kolleginnen und Kollegen vorzubereiten, in zahlreichen gewerkschaftlichen Zusammenhängen ist das glücklicherweise auch erkannt worden und wird auch umgesetzt. Besuche bei Streikenden, Unterstützung von Streikversammlungen, Solidaritätsadressen und eine unterstützende Öffentlichkeitsarbeit haben sich bei den Streiks der Unikliniken in den letzten Jahren bewährt.

Das deutsche Kapital träumt immer noch von einem Billiglohnland und wo es sich durchsetzen kann, wird das auch Realität. Dazu gehört die Absicht, grundsätzlich die Arbeit zu entwerten und auskömmliche Löhne durch Transferleistungen zu ersetzen. Stellen wir uns dem entgegen und kämpfen wir gemeinsam für das Ende unserer Bescheidenheit.

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"Ende der Bescheidenheit", UZ vom 13. Januar 2023



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