Frauenrechte stehen weltweit wieder zur Disposition, aber es regt sich Widerstand. Beim Women‘s March on Washington zeigen hunderttausende Frauen dem frauenverachtenden, pussygrabbenden Präsidenten, was sie von ihm halten. In der Türkei stellen Frauen sich gegen Erdogan, in Polen verhindern sie mit ihren Protesten ein totales Verbot der Abtreibung, wie es die rechtskonservative Regierungspartei „Recht und Gerechtigkeit“ durchsetzen wollte.
Währenddessen treffen sich beim Women-20-Gipfel Angela Merkel, Christine Lagarde, Königin Maxíma der Niederlande und Ivanka Trump. Sie stellen einhellig fest, dass sie Feministinnen sind. Die Bundesregierung verabschiedet ein wirkungsloses Gesetz zur Lohngleichheit. H&M verkauft niedliche rosa T-Shirts mit Blümchen und der Aufschrift „Feminist“ – runtergesetzt im Ausverkauf. So ein Verkaufsschlager ist der Feminismus dann nun doch nicht.
Sind wir uns einig …
Zumindest in Deutschland mutet es so an, als würden die Rechte der Frau auf der politischen Agenda relativ weit oben stehen: Die große Koalition wird geführt von einer Bundeskanzlerin und hat zudem noch eine Verteidigungsministerin zu bieten, in Aufsichtsräten gibt es eine Frauenquote und das Recht der Frau auf sexuelle Selbstbestimmung ist in aller Munde. Die Jugendausgaben von „Spiegel Online“ und „Süddeutscher Zeitung“ (bento.de und jetzt.de) überschlagen sich mit Artikeln zum Thema. Angefangen vom „Grundkurs Feminismus: Diese Bücher solltest du gelesen haben“ (bento.de) über „Donald Trump und sexistische Werbung aus den 1950er Jahren“ (jetzt.de) und der Frage „Ich trage gerne BHs – Macht mich das etwa zur Anti-Feministin?“ (jetzt.de) bis zu „Wir sind Männer – und Feministen“ (bento.de) – gerade unter jungen Frauen (und Männern) scheint Feminismus en vogue zu sein.
Aber mit welchen Inhalten? Frauen können alles, was Männer auch können (klar), niemand darf uns anfassen, wenn wir das nicht wollen (auch klar – so klar, dass wir zu hilflosen Weibchen degradiert werden, die vor den bösen Flüchtlingsmännern beschützt werden müssen), niemand darf so über Frauen reden, wie es der amtierende US-Präsident tut (auch klar, hat aber niemanden davon abgehalten ihn zu wählen), und Abtreibung ist unser gutes Recht (aber am Paragraphen 218 scheint sich niemand mehr zu stören).
Ansonsten gehen die Inhalte des Mainstream-Feminismus ziemlich weit auseinander: Wir sind uns halt einig, dass Frauen nicht benachteiligt werden dürfen. Davon abgesehen: Was hat eine zwanzigjährige Studentin, die kellnert, um ihre Miete zu bezahlen, mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds gemein? Teilen sie die gleichen Interessen? Eher nicht. Und doch nennen beide sich Feministin.
„Damenwahlrecht und gleicher Lohn“
Im Kampf um die Befreiung der Frau stellt sich dieselbe Frage wie in allen anderen Kämpfen: Wer teilt unsere Interessen?
Jedes Jahr feiern wir den internationalen Frauentag als Kampftag für unsere Rechte, aber auch als Kampftag der Frauen für Frieden, gegen Krieg und Faschismus.
Am 27. August 1910 nahm die II. Internationale Konferenz sozialistischer Frauen den Antrag Clara Zetkins und Käte Dunckers einstimmig an, künftig einen Internationalen Frauentag durchzuführen.
Die Genossinnen hatten erkannt, dass sie mit den Frauen der bürgerlichen Frauenbewegung gemeinsam das uneingeschränkte Frauenwahlrecht erstreiten können, obwohl sich die bürgerliche Frauenbewegung bis dahin mit einem „beschränkten Wahlrecht“ (von Clara Zetkin abschätzig „Damenwahlrecht“ genannt) zufrieden geben wollten. Dieses hätte den Frauen der besitzenden Klasse die Teilnahme an Wahlen ermöglicht, die Proletarierinnen aber weiterhin ausgeschlossen.
Der erste Internationale Frauentag fand am 19. März 1911 statt. Millionen von Frauen in Dänemark, Deutschland, Österreich, der Schweiz und den USA beteiligten sich. Die Frauen machten außer der zentralen Forderung nach dem Wahlrecht weitere Punkte zum Inhalt des Frauentags:
Den Kampf gegen den imperialistischen Krieg, die Forderungen nach Arbeitsschutzgesetzen, einem ausreichenden Mutter- und Kinderschutz, dem Achtstundentag, der Festsetzung von Mindestlöhnen und, nicht zuletzt, nach gleichem Lohn für gleiche Arbeit.
Die Bilanz nach mehr als 100 Jahren ist ernüchternd: Noch heute müssen wir für ganz ähnliche Forderungen kämpfen. Clara Zetkin selbst wäre wohl wenig ernüchtert. Sie hatte bereits auf dem Internationalen Arbeiterkongress in Paris am 19. Juli 1889 festgestellt:
„Die Emanzipation der Frau wie die des ganzen Menschengeschlechtes wird ausschließlich das Werk der Emanzipation der Arbeit vom Kapital sein. Nur in der sozialistischen Gesellschaft werden die Frauen wie die Arbeiter in den Vollbesitz ihrer Rechte gelangen.“
So sind wir auch heute weit entfernt von einer gerechten Bezahlung, verdienen immer noch 21 Prozent weniger als die Männer und arbeiten damit 77 Tage im Jahr faktisch ohne Entlohnung. Daran ändert auch nichts, dass den Frauen der Bourgeoisie nun per Quote ein Posten in den Aufsichtsräten zur Verfügung steht (die vom Gesetzgeber vorgegebene 30-Prozent-Quote gilt für 108 börsennotierte und voll mitbestimmungspflichtige Unternehmen, für weitere etwa 3 500 Unternehmen gilt die Pflicht, sich eine beliebige Zielvorgabe zu setzen – wenn man zusätzlich noch bedenkt, dass von den meisten Frauen in so einer Position mehrere verschiedene Aufsichtsratsposten eingenommen werden, findet sich also auch trotz Gesetz nur ein kleiner Bruchteil der Frauen der besitzenden Klasse in hohen Führungspositionen wieder).
Gleichstellung
und Ausbeutung
Mit der bürgerlichen Frauenbewegung führen uns punktuell Themen und Ziele zusammen. Solange die Rechtsentwicklung den Sexismus von Herrenwitzen über „Lebensschutz“ bis Pussygrabschen nach oben spült, haben wir mit bürgerlichen Feministinnen sogar eine ganze Menge gemeinsamer Forderungen – unser grundsätzliches Ziel bleibt ein anderes. Während die bürgerliche Frauenbewegung sich darauf verlässt, dass Proteste, so sie denn lautstark, andauernd und zahlreich genug sind, sowohl die Gesetzeslage als auch den Chauvinismus im Land ändern werden, ist uns klar, dass nicht nur das Geschlechterverhältnis die Unterdrückung der Frau bestimmt, sondern vor allem das Verhältnis zwischen Kapital und Arbeit.
Vor allem ist uns aber klar, wer unser engster Verbündeter im Kampf um unsere Emanzipation ist. So stellte Clara Zetkin in der Auseinandersetzung um die Erwerbstätigkeit der Frau im Oktober 1896 in der Zeitschrift „Gleichheit“, deren Herausgeberin sie war, klar:
„Im Proletariat ist es das Ausbeutungsbedürfnis des Kapitals, das die Frau zur Erwerbsarbeit zwingt und die Familie zerstört. Durch ihre Erwerbsarbeit wird die proletarische Frau dem Manne ihrer Klasse wirtschaftlich gleichgestellt. Aber diese Gleichstellung bedeutet, dass sie, wie der Proletarier, nur härter als er, vom Kapitalisten ausgebeutet wird. Der Emanzipationskampf der Proletarierinnen ist deshalb nicht ein Kampf gegen die Männer der eigenen Klasse, sondern ein Kampf im Verein mit den Männern ihrer Klasse gegen die Kapitalistenklasse.“
Werkzeug der Emanzipation
Das Ausspielen der Geschlechter gegeneinander hat denselben Grund – und denselben Effekt, wenn es erfolgreich ist – wie das Ausspielen von deutschen gegen migrantische Arbeiter: Der gemeinsame Kampf soll erschwert, wenn nicht sogar verhindert werden, das Kapital ist der lachende Dritte. Denn solange wir nicht gemeinsam mit den Männern unserer Klasse gegen die Ausbeuter kämpfen, werden wir uns die Zähne ausbeißen an der doppelten Ausbeutung im Kapitalismus, an der allein getragenen Care-Arbeit, an den zu niedrigen Löhnen und an der fehlenden Kinderbetreuung und an so vielem mehr.
Clara Zetkin hat uns das Werkzeug an die Hand gegeben, mit dem wir in der Frauenfrage der Bourgeoisie, aber auch den eigenen Genossen – wenn es noch nötig sein sollte – begegnen können. Clara Zetkin kämpfte, wie die Kommunistinnen, die auch heute Frauenpolitik machen, nicht allein für die Befreiung der Frau. Doch diese war für Clara Zetkin untrennbar verbunden mit der sozialen Frage, Nebenwiderspruch im Kapitalismus, der doch ein so enormes Ausmaß hat.
Der Mainstream-Feminismus heute ist anscheinend der Ansicht, es wäre für Frauenrechte förderlich, wenn eine Hillary Clinton statt eines Donald Trump Kriegspolitik betreibt und Frauen, Kinder und Männer bombardiert. Er freut sich, wenn es sich in der Textilindustrie um eine Ausbeuterin statt um einen Ausbeuter handelt. Er feiert die Quote, auch wenn sie keiner Frau etwas bringt, die nicht zu den oberen Zehntausend gehört. Er akzeptiert teilweise widerwärtigen Rassismus, so wie Alice Schwarzers Gefasel vom „muslimischen Inferno“ nach der Silvesternacht in Köln. Für den Mainstream-Feminismus bedeutet der Kampf um Frauenrechte genauso scheiße sein zu dürfen wie die Männer der Bourgeoisie und das wird dann auch noch als hipper Lebensstil begriffen, auf den frau stolz sein kann, während sie an ihrem Latte Macchiato für fünf Euro schlürft.
Wir bleiben bei den scheinbar verstaubten Ideen der Kommunistin, die vor 160 Jahren, am 5. Juli 1857, geboren wurde: Happy Birthday, Clara!