Angie hat geladen – und sechs Männer folgen Anfang Juni dem Ruf der Bundes-Dame zu einem exklusiven Wochenende in „Schloss Elmau Luxury Spa & Cultural Hideaway“ (Hideaway = Versteck, Zufluchtsort). Die Dame lässt sich ihr Dinner for Seven einiges kosten – auf Rechnung des Steuerzahlers, versteht sich. Im Haushalt des Innenministeriums ist der Aufwand ursprünglich mit 38 Millionen Euro veranschlagt, sechs Wochen vor dem G7-Gipfel wurden dann bereits 130 Millionen Gesamtkosten genannt – 90 vom Freistaat und 40 vom Bund. Vor acht Jahren, beim letzten G7-Gipfel auf deutschem Boden, lagen die Kosten noch bei 100 Millionen. Mit der gestiegenen Weltgeltung Deutschlands steigen natürlich auch die Kosten der polizeilich-militärischen Absicherung.
Nach welcher Logik die bayerischen Steuerzahler mehr für ein Spektakel zahlen sollen, das ihren Lebensraum einschränkt und die Naturschutzgebiete im Werdenfelser Land in Mitleidenschaft zieht, bleibt das Geheimnis von Bundes- und Staatsregierung. Jedenfalls hat die staatliche Geldverschwendung jetzt den bayerischen Bund der Steuerzahler (BdSt) ordentlich in Rage gebracht: „G7-Gipfel in Bayern, eine Zumutung für die Steuerzahler“ titelte er seine Presseerklärung vom 26.5.15. Darin zeigt er auf, dass nach seinen „Recherchen“ das zweitägige Tête-à-Tête der selbsternannten Herren und Herrin der Welt sage und schreibe 360 Millionen Euro kosten wird. Die Polizeigewerkschaft hält die Zahlen für plausibel (BR 27.7.15). Der Steuerzahler-Bund weist darauf hin, dass tausende Polizisten nicht nur an den zwei Tagen präsent sein, sondern schon Wochen vorher alles absperren, die Wälder durchkämmen müssen und „das gesamte Tal hermetisch abriegeln“: „Jede Bergspitze muss rund um die Uhr besetzt und bewacht sein“. Nach Berechnungen des BdSt sind für den Gipfel insgesamt zwei Millionen Arbeitstage der Polizei erforderlich. Nach Informationen aus dem Bayerischen Innenministerium kümmert sich nahezu die Hälfte aller bayerischen Polizisten für mehr als vier Wochen ausschließlich um den Gipfel, heißt es in der Erklärung weiter. Hunderttausende von Arbeitstagen der vorbereitenden Planungsstäbe und Behörden kommen noch hinzu. Seit etwa 18 Monaten trifft sich ein Planungsstab aus 214 Beamten, der das Treffen vorbereitet.
Bereits zwei Wochen vor dem Gipfel laufen die Polizei-Einheiten zu voller Kampfstärke auf, ein „waffenstarrender Polizeiaufmarsch“ (BdSt): Insgesamt in Stärke von zwei Divisionen: 24 150 Polizisten, davon 17 000 unter dem Kommando des Planungsstabes, 5 500 Bundespolizisten und dazu 1 650 Beamte unter dem Kommando des Bundeskriminalamtes (BKA). Für den Shuttledienst der Polizeikräfte in den Sicherheitsbereich stehen 100 Polizeibusse mit 200 Busfahrern zur Verfügung.
Verstärkung ist von dem neutralen und Nicht-G7-Land Österreich angefordert: 2 100 österreichische Polizisten sollen die Grenze absichern.
Zudem müssen 400 Feuerwehrleute rund um die Uhr in Bereitschaft stehen.
Nicht eingerechnet in das martialische Aufgebot sind die 600 Kriminalbeamten, die vor allem Demonstranten observieren und gegen sie ermitteln sollen. Zur Aburteilung von angeblichen Straftätern im Schnellverfahren ist in Garmisch-Partenkirchen ein eigenes Justizzentrum eingerichtet worden, mit Sammellagern und Containern als Gefängnisse. Dazu stehen 15 Staatsanwälte und 100 Richter bereit. „Die bereiten sich offenbar auf einen Bürgerkrieg vor“, sagt der Strafverteidiger Andreas Schwarzer zu dieser Polizeistaatsmentalität. In der Tat wird deutlich, dass es sich hier in erster Linie nicht um Sicherheit und Personenschutz handelt, sondern um eine großangelegte Notstandsübung. Geprobt wird dabei auch das Ineinandergreifen von Polizei, paramilitärischen und militärischen Einsatzkräften sowie der verdeckte Einsatz von Sicherheitskräften.
Hinter Schloss und Riegel
Kein Kampfmittel, das nicht mobilisiert wird. Die deutsche Polizeikavallerie galoppiert mit 50 Pferden auf. Weiterhin sollen 230 Hunde mit Hundeführern eingesickerte Demonstranten in den Wäldern aufspüren. Für Hundekot-Tütchen hat es nicht mehr gereicht, auch wegen fehlender Abfalleimer. Auch für die Notdurft der PolizistInnen ist schlecht vorgesorgt: Es stehen nur 56 WC-Container zur Verfügung. Es ist davon auszugehen, dass die umliegenden Almen, Wälder und Bäche aus diesem Grund stark mit Fäkalien belastet werden.
30 Polizei-Seelsorger und Dutzende Psychologen sollen angeschlagene Polizisten wieder aufrichten und erneut fronttauglich machen.
Absperren, aussperren, einsperren ist die Devise – das trifft kurioserweise auch den exklusiven Siebener-Club selbst. Insgesamt 14 Kilometer NATO-Draht-Zäune wurden verlegt, sieben Kilometer Zaun aus Stahl und Stacheldraht, zingeln das Schloss ein. Der exklusive Zirkel der sieben angemaßten Mächtigen der Welt tagt also nicht nur hinter Schloss und Riegel, sondern ist hinter drei Meter hohen Stacheldrahtzäunen eingesperrt und von tiefgestaffelten Polizeikordons eingekesselt. Selbst Feldhasen, die sich nicht an die Absperrungen halten, werden gnadenlos abgeknallt, sobald sie sich dem Schloss nähern, heißt es aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen. Sicherheitsexperten befürchten, dass ihnen Terroristen Sprenggürtel unterschnallen, die sie dann per Fernzündung zur Explosion bringen könnten.
Kein Witz ist: In den Schneisen, die man ins Gehölz geschlagen hat, sollen Flugabwehrraketen stationiert sein (Stern, 13.5.15). Für die Luftraumüberwachung ist ohnehin die Bundeswehr verantwortlich. Die Bundespolizei hält 30 Hubschrauber bereit, acht sind mit Wärmebildkameras ausgestattet, mit denen Demonstranten auch nachts in den Wäldern geortet werden können. Über weitere Helikopter verfügt die Landespolizei.
Ein Problem bereitet die Absicherung der Autobahn und der Bundesstraße von München nach Garmisch und weiter nach Klais-Elmau. Denn der Großteil der 7 000 Köpfe zählenden Entourage der so genannten Mächtigen der Welt logiert in München und muss zur Tagung hinchauffiert werden. Allein Präsident Obama bringt 800 Mitarbeiter mit – für eineinhalb Tage Sitzung! Geht’s noch, Herr Präsident?! Da wird an diesen Tagen die Münchner Bevölkerung nicht wenig drangsaliert werden.
Alptraum: Wenn an den Gipfeltagen Hubschrauber nicht starten und/oder landen können. Dann müssen die Spitzen des Gipfels per Auto vom Flughafen München nach Elmau gebracht werden. Dann wird ein Großteil des Alpenvorlands zu Polizeiland, nicht nur die Alpenfestung im Hochtal.
„Haben sie denn so mächtige Feinde?“ kann man mit Brecht angesichts dieser kriegerischen Mobilmachung fragen. Objektiv ja! Den sieben Mächtigen stehen sieben Milliarden Menschen gegenüber, die unter deren Politik leiden. Allein der Aufwand und Pomp für dieses Treffen offenbart die Arroganz der Macht, den Zynismus der Mächtigen. Für die Kosten des Zwei-Tage-Palavers könnten 6.000 LehrerInnen ein Jahr lang beschäftigt werden.
Oder eine andere Rechnung: Mare Nostrum, die Seenotrettung der italienischen Marine, dauerte ein Jahr und zwei Wochen. In dieser Zeit wurden 140 000 Flüchtlinge aus Seenot gerettet. Das Programm musste mangels Geldern eingestellt werden; es kostete in dieser Zeit 112 Millionen Euro. Mit den Geldern, die für den G7-Gipfel verpulvert werden, könnte das Programm über drei Jahre fortgeführt und Tausende Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet werden. So ist zu befürchten, dass auf dem Gipfel neue Kriege ausgeheckt werden, die neue Flüchtlingsströme auslösen.
(alle Zahlen und Fakten aus der Tagespresse)