Riverboat“ klingt wie der Titel eines Gospel-Songs und lässt wohl die meisten an einen Mississippi-Dampfer denken. Wer im Sende-Bereich des Mitteldeutschen Rundfunks lebt, weiß aber, dass es sich um eine populäre Talkshow handelt, die seit 1992 zunächst als „MDR-Club“ vom Elbe-Schiff MS Florentina in Dresden ausgestrahlt und 1994 daher so genannt wurde. Im Jahre 2000 zog das Studio nach Leipzig an den Karl-Heine-Kanal, wo noch heute die Riverboat-Bühne zu sehen ist. Seit 2008 werden die zwei Stunden in der Media City Leipzig des MDR produziert.
Nicht nur Schiffe und Häuser prägten das Bild vom Riverboat, auch Personen verliehen ihm als Moderatoren ihre Gesichter. Kim Fischer gehört bis heute mit Susan Link, Jörg Pilawa und Stephanie Stumph dazu. Die letztgenannte Tochter des Dresdner Kabarettisten und Schauspielers Wolfgang Stumph („Stumpi“), der als sächsischer Blöd-Ossi mit dem Film „Go Trabbi Go“ auch im Westen berühmt wurde, ist die bisher jüngste im Riverboat. Über Jörg Pilawa schmunzeln vielleicht einige, die den Namen wie ich mit Talkshows der 90er Jahre verbinden, und Susan Link kennen womöglich viele aus dem ARD-Morgenmagazin. Die Sendung durch seinen Charme bereichert hat zweifellos Jörg Kachelmann, den viele auch als unterhaltsamen Wetteransager im ARD kennen, bis er 2009 aus dem Team geschieden ist und später unter dem Verdacht, eine Frau vergewaltigt zu haben, Skandale verursachte. Ein seriöser, aber beständiger Teil des Riverboats war Nachrichtensprecher Jan Hofer, der seit Beginn volle 20 Jahre die Talkshow mit moderierte. Viele andere haben außerdem seit Beginn der Fahrt das Schiff schon bestiegen und verlassen.
Weit mehr und vielfältiger sind natürlich die Gäste, die in über 25 Jahren das Riverboat besucht haben, und von denen zu schreiben hier kein Platz ist. Mit dem Schauspieler Peter Sodann und Fußballer Klaus Sammer waren in einer der vergangenen Sendungen auch Personen geladen, die schon in der DDR bekannt waren. Wie ein Redakteur der UZ, die bekanntlich nicht im Sende-Bereich des MDR hergestellt wird, berichtet hat, ist dort gar nicht schlecht über die DDR gesprochen worden. Grundsätzlich kann man ihm und den Lesern der UZ versichern, dass das gewiss nicht bezweckt wurde. Wie alle staatlichen Rundfunkanstalten verfolgt der MDR im Wesentlichen einen Bildungsauftrag, der nicht darin besteht, die Vorteile des Sozialismus zu betonen. Aber was in einer Talkshow gesagt wird, hängt davon ab, wer gerade spricht. Hier liegt etwas Wahres in der Beobachtung des Redakteurs: Weil das Riverboat in Ostdeutschland ausgestrahlt wird, kommen Prominente der Region darin zu Wort – und das sind Leute, die in der DDR gelebt haben und auch damals bekannt waren. Dass Zuschauer im Osten – unabhängig von ihrer politischen Einstellung – ihre Alltags- und Lebenserfahrung in der DDR auch im Fernsehen gern abgebildet sehen, ist sicher ein Faktor, der auch das Riverboat bei nicht wenigen beliebt macht.
„Getalkt“ wird im deutschen Fernsehen seit Jahrzehnten und mir persönlich erschließt sich nicht, was das Publikum an den – Verzeihung! – „Quasselsendungen“ so sehr unterhält. (Vielleicht ist der Mangel an Unterhaltung in deutschen Wohnzimmern aber auch ein Grund, weshalb das Format gerade dort so gut ankommt.) Immerhin bewegt sich das Riverboat, was nicht selbstverständlich ist, dabei auf der Seite des guten Geschmacks. Boulevardfernsehen, das schon ein Stück ostdeutsche Fernsehgeschichte geschrieben hat.