Staatliche Katastrophenvorsorge in der BRD? Die frühere CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt, heute Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes, sagte dazu am Dienstag in der „Rheinischen Post“: „Die Defizite sind eklatant, insbesondere bei der materiellen Ausstattung. Nach der Hochwasser-Katastrophe in und um das Ahrtal war das Bewusstsein der politisch Verantwortlichen für den Bevölkerungsschutz gestiegen. Davon ist jetzt nicht mehr viel übrig. Wir brauchen mehr und bessere Ausstattung für Katastrophenfälle in Deutschland. Es gibt ein Konzept, aber dessen Umsetzung stockt aufgrund sehr begrenzter Haushaltsmittel.“
Im Klartext: Den Schock der Ahrtalflut 2021 haben die Verantwortlichen abgeschüttelt, von länger zurückliegenden Hochwassern zu schweigen – 1997 an der Oder, 2002 und 2013 an der Elbe, 2017 im Harz und im Harzvorland. Es gilt das Prinzip Nachsorge. Vorsorge ist vom Gesundheitswesen bis zum Bevölkerungsschutz zu teuer. Das sah in der DDR anders aus. Wer allerdings an die „Zeitenwende” glaubt oder zu glauben verpflichtet wird, muss Verständnis haben, wenn für Aufrüstung und Abmarsch einer ganzen Bundeswehrbrigade Richtung Osten Milliarden Euro da sind.
Nicht aber für Vorbereitung auf den Katastrophenfall. Hasselfeldt berichtet in der „Rheinischen Post“, es sei politischer Konsens nach den Erfahrungen im Ahrtal gewesen, „zehn mobile Betreuungsmodule für den Einsatz bei zerstörter Infrastruktur zu beschaffen“. Bisher gebe es nur eins. Mit einem solchen Modul sollen jeweils bis zu 5.000 Menschen aufgenommen, betreut und umfassend versorgt werden. Es sei absehbar, „dass wir immer öfter von Katastrophen betroffen sein werden. Womöglich auch gleichzeitig. Deswegen müssen dieser Zusage aus der Politik nun Taten folgen.“
Die Reaktionen aus dem politischen Berlin lassen darauf schließen, dass genau das nicht vorgesehen ist. Vom Kanzler, der sich an Silvester ohne Gummistiefel an die Aller bei Verden fliegen ließ, war nichts Konkretes zu Finanzen zu hören, dafür allerhand über „Zusammenhalt“ und „Solidarität“ in der Gesellschaft. Bei Verden kämpften Feuerwehr und andere Hilfsdienste seit dem 23. Dezember gegen die Wassermassen. dpa berichtete am Neujahrstag über die Stimmung vor Ort: „Andere sind mit ihrer Kritik weniger zurückhaltend. ‚Der Kanzler fliegt durch die Luft und tut nichts‘, schreit eine Anwohnerin, noch bevor Scholz in Sichtweite ist. Dabei brauche es jede Hand, die Menschen wüssten nicht mehr weiter. Zwei Polizisten begleiten die schimpfende Frau schließlich weg.“
Geht es um Geld für Sinnvolles, beginnt in Berlin rituell ein Pingpong zwischen Haushaltspolitikern: Wer hat am meisten nichts zu vergeben? In diesem Fall waren es die SPD-Bundestagsabgeordneten Andreas Schwarz und Dennis Rohde. Sie verlangten am Mittwoch per „Spiegel“ beziehungsweise „Stern“, angesichts des Hochwassers die „Schuldenbremse“ auszusetzen. Das wurde umgehend von FDP und CDU/CSU zurückgewiesen. Scholz ließ seinen Sprecher noch am selben Tag mitteilen, die Regierung habe aktuell keine Pläne dafür.
Neben Geplänkel im Politzirkus gibt es allerdings auch ein grundlegendes Problem: Katastrophenschutz überlässt die Bundesregierung gern den Ländern, entsprechend unterschiedlich ist der Zustand der Anlagen. Auf mehr als sechs Meter stieg zum Beispiel der Elbepegel am Mittwoch bei Wittenberge, das waren zwar eineinhalb Meter weniger als 2013, aber Stufe zwei auf der dreistufigen Alarmskala – überall erreicht der Fluss nun mindestens den Deichfuß, alle Überschwemmungsgebiete der Elbe und ihrer Nebenflüsse sind gefüllt. Bei den lokalen Behörden herrscht dennoch Gelassenheit: Keine Gefahr für Dörfer und Städte. Der zuständige Kreisbeamte Bernd Lindow erläuterte am Dienstag im „RBB24Inforadio“, seit dem letzten Hochwasser 2013 sei viel im Deichbau geschehen.
Der Deutsche Wetterdienst verlängerte am Mittwoch seine Warnung vor Dauerregen teils bis in den Samstag hinein. Es würden „neue Regenfälle in den bisher bereits gebeutelten Gebieten“ erwartet.