Die 2. Tagung des Parteivorstands am 8. und 9. Oktober 2022 beschloss einstimmig den Antrag an den Parteitag „Die VR China, ihr Kampf um den Aufbau eines modernen sozialistischen Landes und die Veränderung der internationalen Kräfteverhältnisse“. Seither läuft die – bisweilen mit besonderer Härte geführte – Debatte darüber. Zur Einschätzung der VR China beziehungsweise der KP Chinas möchte ich in meinem Debattenbeitrag einen Genossen zu Wort kommen lassen, an dessen revolutionärer, sozialistischer Gesinnung schwerlich zu zweifeln ist – Fidel Castro. Über Jahrzehnte hinweg hatte dieser eine klare und eindeutige, auf eigener Theorie und Praxis gründende Position zur Thematik vertreten. In einem Interview für die Tageszeitung „La Stampa” aus dem Jahr 1994 führte er zum Beispiel aus: „Wenn Sie über Sozialismus sprechen wollen, sollten wir nicht vergessen, was der Sozialismus in China erreicht hat. Einst war es das Land des Hungers, der Armut, der Katastrophen. Heute gibt es nichts von alledem. Heute kann China 1,2 Milliarden Menschen ernähren, kleiden, ausbilden und für ihre Gesundheit sorgen. Ich denke, China ist ein sozialistisches Land, und auch Vietnam ist eine sozialistische Nation. Und sie betonen, dass sie alle notwendigen Reformen eingeführt haben, um die nationale Entwicklung voranzutreiben und die Ziele des Sozialismus weiterzuverfolgen. Es gibt keine völlig reinen Regime oder Systeme. In Kuba gibt es zum Beispiel viele Formen von Privateigentum. Wir haben Hunderttausende von Farmbesitzern. In einigen Fällen besitzen sie bis zu 110 Hektar Land. In Europa würde man sie als Großgrundbesitzer bezeichnen (…) Außerdem sind ausländische Investitionen willkommen. Das bedeutet aber nicht, dass Kuba aufgehört hat, sozialistisch zu sein.“
In seiner Ansprache anlässlich der Verleihung des Ordens „José Martí” an Hu Jintao, damaliger Generalsekretär der KP Chinas, sagte Castro am 23. November 2004: „Der Sozialismus wird definitiv die einzige wirkliche Hoffnung für den Frieden und das Überleben unserer Spezies bleiben. Genau das haben die Kommunistische Partei und das Volk der Volksrepublik China unwiderlegbar bewiesen. Gleichzeitig haben sie, wie auch Kuba und andere brüderliche Länder, gezeigt, dass jedes Volk seine Strategie und seine revolutionären Ziele an die konkreten Bedingungen seines Landes anpassen muss und dass es nicht zwei absolut gleiche sozialistische revolutionäre Prozesse gibt. Aus jedem von ihnen kann man die besten Erfahrungen mitnehmen und aus jedem ihrer schwerwiegendsten Fehler lernen.“
In der „Granma“ vom 4. August 2014 schrieb Castro nach einer Begegnung mit Xi Jinping: „Xi Jinping ist einer der stärksten und fähigsten Revolutionsführer, denen ich in meinem Leben begegnet bin.“ Dieses letzte Zitat ist interessant, da Castro Xi nicht einfach nur als fähigen Staatsmann beschreibt, sondern explizit als „Revolutionsführer“. Damit wird anerkannt, dass die Reform- und Öffnungspolitik die aktuelle historische Erscheinungsform der chinesischen Revolution darstellt – und keine Abkehr von derselben! Die Positionen Castros zur Einschätzung der VR China und der KP Chinas – es ließen sich unzählige weitere Zitate anführen – entsprechen so ziemlich den Positionen des Antrags des Parteivorstands an den Parteitag, insbesondere denen des 5. Kapitels „Unsere Aufgaben als DKP“. Andere Inhalte des Antrags – zum Beispiel die „theoretischen Grundlagen“ – sind von diesen Ausführungen unberührt. Sie sind aber zu trennen von der grundsätzlichen Einschätzung der VR China und der KP Chinas.